Zentrum Liberale Moderne – Wikipedia

Das Zentrum Liberale Moderne
Aufgabe Verteidigung von Offener Gesellschaft und Liberaler Demokratie
Leitung Ralf Fücks (Geschäftsführender Gesellschafter), Marieluise Beck (Senior Fellow)[1]
Gründungsdatum 2017
Sitz Berlin
Website libmod.de

Das Zentrum Liberale Moderne (LibMod) ist eine deutsche Denkfabrik, die 2017 von Marieluise Beck und ihrem Ehemann Ralf Fücks gegründet wurde, die beide Mitglieder der Partei Die Grünen sind.[2] Seit 2019 wird das Zentrum im Rahmen der institutionellen Förderung aus dem Bundeshaushalt mit Steuergeldern finanziert.

Ausrichtung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Zentrum setzt sich für die Westbindung Deutschlands sowie die transatlantischen Beziehungen zwischen Europa und Nordamerika ein.[3] Es tritt für ein entschiedenes Auftreten gegenüber der russischen Regierung unter Wladimir Putin ein[4] und versteht den Kreml als Gegenspieler des Westens.[5] Geschäftsführer Ralf Fücks ist Mitautor des „Transatlantischen Manifests“, das im Oktober 2017 in der Wochenzeitung Die Zeit veröffentlicht wurde.[6] Die Auseinandersetzung zwischen liberalen Demokratien und autoritären Gesellschaftsordnungen hält das Zentrum für den wichtigsten politischen Konflikt in den nächsten Jahren.[7] Unter liberaler Demokratie versteht es die Verbindung von individueller Freiheit, gesellschaftlichem Zusammenhalt, Selbstverantwortung und starken öffentlichen Institutionen.

Am 26. Mai 2021 wurde bekannt, dass die russischen Behörden das Zentrum Liberale Moderne als „unerwünschte NGO“ eingestuft haben. Ihm ist damit faktisch verboten, sich in Russland zu betätigen.[8] Insofern ist es russischen Bürgern verboten, mit ihm zusammenzuarbeiten oder es zu unterstützen.[9]

Projekte und Förderung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit anfänglicher Unterstützung der International Renaissance Foundation betreibt das Zentrum das Themenportal „Ukraine verstehen“, mit dem es für eine „kritische Sympathie für die Ukraine“ wirbt.[10] Aus der Sicht des Zentrums ist die Ukraine der zentrale Schauplatz des Konflikts zwischen Demokratie und Autoritarismus.[11]

Inzwischen wird das Themenportal „Ukraine verstehen“ von Engagement Global aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.

Die nichtöffentliche Veranstaltungsreihe Ukraine Insights von LibMod bringt regelmäßig eine kleine Gruppe von Regierungsvertretern, Thinktank-Experten und Praktikern mit Sitz in Berlin zusammen. Sie dient als informelle Plattform für die eingehende Diskussion der Entwicklungen in der Ukraine, die Identifizierung zukünftiger Trends und den Meinungsaustausch über politische Optionen der EU und Deutschlands.[12]

Bundespräsident a. D. Joachim Gauck bei der Eröffnung des Zentrums Liberale Moderne am 15. November 2017 in Berlin

Die von der Baden-Württemberg Stiftung finanzierte Expertenkommission „Sicherheit im Wandel“[13] erarbeitete unter Vorsitz von Ralf Fücks Empfehlungen, wie liberale Demokratien auf fundamentale Veränderungen durch Digitalisierung, Globalisierung und Migration reagieren können.[14][15]

Darüber hinaus erhält das Zentrum seit 2019 eine halbe Million Euro jährlich aus dem Haushalt des Bundespresseamtes.[16]

Im August 2020 gehörte das Zentrum Liberale Moderne zu den Mitiniatoren des „Arbeitskreises Belarus“, welcher als Forum für Expertise und Kontakte zu Belarus fungieren soll. Zu den anderen Mitbegründern zählen der Deutsch-Russische Austausch, der Verein „Menschenrechte in Belarus“, der Europäische Austausch, die Deutsch-belarussische Gesellschaft und die Belarusische Gemeinschaft „Razam“.[17]

Seit 2018 wurde das Zentrum für 24 Projekte mit insgesamt 4.472.572,56 Euro gefördert.[18][19] Gemäß Eigendarstellung finanziert es sich außerdem durch private Spenden.[20]

Projekt Gegneranalyse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Dezember 2018 startete LibMod ein „Projekt zur Ideengeschichte der antiliberalen Revolte“ namens „Gegneranalyse“. Projektziel war nach eigenen Angaben die Aufarbeitung der „langen Linien antiliberalen Denkens“ für die heutige Debatte.[21] Online wurden 16 kritische Personenartikel über Vordenker der Neuen Rechten präsentiert[22] sowie ein Glossar von Begriffen[23], zum Teil in Form ausführlicher Essays. Das Projekt wurde anfangs mit 300.000 Euro vom Bundesfamilienministerium aus dem Bundesprogramm Demokratie leben! und der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert.[24]

Inzwischen lautet das Projektziel: Es setze sich kritisch mit Kanälen auseinander, die sich in Opposition zur bestehenden Medienöffentlichkeit sehen. Es heißt: „Wir wollen aufklären, wie die systemoppositionellen Gegenmedien zu einer Radikalisierungsmaschine werden.“[25] In Fallstudien wurden seit August 2021 das Portal NachDenkSeiten[26][24], das Magazin Compact[27] sowie der österreichische Onlinesender Auf 1.tv untersucht und beurteilt.[28]

Rechtsform, Gesellschafter und Beirat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Zentrum hat die Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH.[29] Ralf Fücks ist hauptberuflicher Geschäftsführer.[30]

Das Zentrum wird von einem zwölfköpfigen Gesellschaftergremium getragen, darunter Deidre Berger, Direktorin des American Jewish Committee Berlin Office/Lawrence and Lee Ramer Institut für Deutsch-Jüdische Beziehungen,[31] der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Gert Weisskirchen, Alexandra von Lambsdorff, die stellvertretende Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der ehemalige US-Botschafter John Kornblum und die Bildungsministerin des Landes Schleswig-Holstein Karin Prien.[32]

Die Arbeit des Zentrums wird durch einen internationalen Beirat unterstützt. Zum Beirat gehören u. a. der ukrainische Schriftsteller Jurij Andruchowytsch, die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und ehemalige Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde Marianne Birthler, die Trägerin des Alternativen Nobelpreises und Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina, das ehemalige Mitglied des Europäischen Parlaments Rebecca Harms, der Sprecher des Muslimischen Forums Deutschland Ahmad Mansour, der ehemalige Außenminister der DDR Markus Meckel, der Soziologe Armin Nassehi, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde und ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz und der Historiker Timothy Snyder.

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das LibMod und seine mitunter umstrittenen Methoden werden seit der Gründung von verschiedenen Politikern und Journalisten kritisiert. Im Jahr 2022 häuften sich kritische Beiträge, begonnen mit einem Video von Friedrich Küppersbusch auf dessen YouTube-Format Ende Juli des Jahres.[33] Darauf Bezug nehmend kritisierte der SPD-Politiker Mathias Brodkorb in einem vom Magazin Cicero im August 2022 veröffentlichtem Beitrag insbesondere das LibMod-Projekt Gegneranalyse und fragte, wer denn eigentlich die „Gegner“ seien. Wären es Verfassungsfeinde, handle es sich bei den Aktionen des Projekts um eine Privatisierung hoheitlicher Aufgaben. Verliefe die „Gegnerschaft“ hingegen „unterhalb der Verfassungsschwelle“ handle es sich um einen staatlich finanzierten Eingriff in die unabhängige Meinungsbildung der Bürger. Es gehe offenbar nicht nur darum, verfassungsfeindliche Bestrebungen in den Blick zu nehmen, sondern alle alternativen Sichtweisen, die den Konsens zu sehr stören. „Gerade in einer Demokratie könnte man das umgekehrt auch für ein Problem halten.“[34]

Die Bundestagsabgeordnete der Linken Sevim Dağdelen nannte es im Oktober 2022 gegenüber der Jungen Welt skandalös, dass Fücks und Beck „für die Denunziation von Kritikern der Ampel-Politik mit Steuergeldern regelrecht aufgepäppelt werden.“[35]

In der Online-Ausgabe der Welt schrieb der Politikwissenschaftler und Journalist Frank Lübberding im November 2022, mit ihrer Denkfabrik hätten sich Beck und Fücks eine Plattform geschaffen, „die ihre liberale Staatsferne vor allem durch staatliche Förderung unter Beweis stellt.“ Er kritisierte zudem, wie zuvor Küppersbusch und Brodkorb, das Projekt Gegneranalyse. Es spiele „Verfassungsschutz – und das im Auftrage eines grünen Thinktanks, bezahlt mit Steuergeldern.“ Es sei zu fragen, ob es sich bei der Erstellung solcher staatlich subventionierter „Schwarzer Listen“ nicht um einen Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit handle „und ob eine Zweckentfremdung öffentlicher Mittel für parteipolitische Ziele der Demokratie nicht Schaden“ zufüge.[18]

Ähnlich hatte sich, kurz zuvor und ebenfalls im November 2022, die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin von Bündnis 90/Die Grünen, Antje Vollmer, in einem Telepolis-Interview geäußert und das Zentrum Liberale Moderne als „Instrument eines ideologischen Lobbyismus“ und „besonders eklatantes Beispiel eines hybriden politischen Thinktanks“ bezeichnet, dem nicht nur Regierungsferne, sondern auch „Basisverankerung“ fehle.[36]

Im Dezember 2023 veröffentlichte Küppersbusch abermals einen längeren kritischen Beitrag, in dem wieder die staatliche Förderung der Liberalen Moderne thematisiert wird. Überdies wird die Nichttransparenz der Geldzuflüsse aus der parallelen Fördergesellschaft Liberale Moderne, der Rechtsform nach eine UG, gerügt, die normale Mitglieder der GmbH im Unklaren über Teile ihrer Geldgeber ließe, da sie das laut Fücks nichts anginge. Bemängelt wird auch, dass der nominelle Think Tank de facto nur die Überzeugungen ihrer beiden Gründer als Meinung zuließe.[37]

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ralf Fücks, Christoph Becker (Hrsg.): Das alte Denken der Neuen Rechten. Die langen Linien der antiliberalen Revolte. Sammelband des Zentrum Liberale Moderne, Wochenschau Verlag, Frankfurt 2020, ISBN 978-3-7344-1122-9.
  • Ralf Fücks, Rainald Manthe (Hrsg.): Liberalismus neu Denken. Freiheitliche Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit. Transcript Verlag, Bielefeld 2022, ISBN 978-3-8376-6319-8.
  • Ralf Fücks, Rainald Manthe (Hrsg.): Update Liberalism. Liberal Answers to the Challenges of Our Time. Transcript Verlag, Bielefeld 2023, ISBN 978-3-8376-6995-4.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. LibMod, UnserTeam, Geschäftsführung
  2. Thorsten Jungholt: Zwei Grüne haben eine Leitidee für Jamaika. In: Die Welt, 16. November 2017.
  3. Tobias Schulze: Grüne Ex-Politiker gründen Think-Tank: Transatlantischer Ruhestand. In: Die Tageszeitung: taz. 16. November 2017, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 12. April 2018]).
  4. Liberale Moderne Think Tank in Berlin eröffnet. In: bild.de. (bild.de [abgerufen am 13. April 2018]).
  5. Marieluise Beck: Russland: Unsere Nachgiebigkeit vergrößert Putins Appetit. In: Die Welt. 18. März 2018 (welt.de [abgerufen am 12. April 2018]).
  6. Transatlantische Partnerschaft: Trotz alledem: Amerika. In: Die Zeit. 18. Oktober 2017, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 13. April 2018]).
  7. Die Verteidigung der offenen Gesellschaft – „Man braucht auf der demokratischen Seite mehr Leidenschaft“. In: Deutschlandfunk Kultur. (deutschlandfunkkultur.de [abgerufen am 13. April 2018]).
  8. Menschenrechte - Russland erklärt drei deutsche NGOs für unerwünscht. 27. Mai 2021, archiviert vom Original am 27. Mai 2021; abgerufen am 2. August 2022.
  9. Gemeinsame Erklärung zur Entscheidung der russischen Generalstaatsanwaltschaft, den Deutsch-Russischen Austausch, das Zentrum Liberale Moderne und das Forum russischsprachiger Europäer zu "unerwünschten Organisationen" zu erklären. Abgerufen am 2. August 2022.
  10. Ukraine verstehen. Abgerufen am 13. April 2018.
  11. Unsere Projekte. In: libmod.de. (libmod.de [abgerufen am 13. April 2018]).
  12. Ukraine Insights auf ukraineverstehen.de
  13. Peter Reinhardt: Kommission nach Kretschmanns Wunsch. In: Mannheimer Morgen. 2. März 2018 (morgenweb.de [abgerufen am 13. April 2018]).
  14. Die Expertenkommission „Sicherheit im Wandel“ stellt sich vor. In: libmod.de. 28. Februar 2018 (libmod.de [abgerufen am 13. April 2018]).
  15. Expertenkommission „Sicherheit im Wandel“ präsentiert Ergebnisse. (baden-wuerttemberg.de [abgerufen am 22. März 2019]).
  16. Haushalt des Bundespresseamtes, Kapitel 0432, Titel 68506; zitiert nach Roland Appel: Lügen für 1/2 Million Euro jährlich. In: Beueler Extradienst. 26. April 2022, abgerufen am 16. Juli 2022.
  17. Belarus muss die Ukraine unterstützen:. (dbg-online.org [abgerufen am 12. Oktober 2022]).
  18. a b Frank Lübberding: Wenn der Aktivismus zur Bekämpfung politischer Gegner staatlich subventioniert wird. In: Die Welt online (Welt+), 24. November 2022 (Bezahlschranke).
  19. 5 Millionen Euro Steuergelder – Skandal um Finanzierung der Grünen-nahen Denkfabrik „LibMod“ weitet sich aus. In: NachDenkSeiten - Die kritische Website. Abgerufen am 6. Dezember 2022 (deutsch).
  20. https://libmod.de/ueber-uns/libmod-unsere-projekte/
  21. Projektbeginn: Gegneranalyse - Antiliberales Denken von Weimar bis heute. In: libmod.de. 8. Dezember 2018, abgerufen am 28. November 2022 (deutsch).
  22. gegneranalyse: Personen
  23. gegneranalyse: Begriffe
  24. a b Florian Warweg: „Gegneranalyse“ – Das Bundesfamilienministerium finanziert ein Überwachungs- und Diffamierungsportal gegen kritische Medien. In: NachDenkSeiten. 1. Juli 2022, abgerufen am 20. Oktober 2022.
  25. gegneranalyse: Hauptseite
  26. gegneranalyse, Fallstudie: Vom Aufklärungs- zum Querfront-Medium?.
  27. gegneranalyse, Fallstudie: Compact: Scharniermedium der extremen Rechten.
  28. gegneranalyse, Fallstudie: Auf 1.tv: Sprachrohr rechter Verschwörungsideologien.
  29. Registereintrag beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, Nr. HRB 188204: Zentrum liberale Moderne gemeinnützige GmbH
  30. Gesellschafter. In: libmod.de. (libmod.de [abgerufen am 24. Mai 2018]).
  31. America Jewish Committee Berlin. Abgerufen am 24. Mai 2018.
  32. Gesellschafter – Über uns auf der Website des Thinktanks
  33. Staatsknete für die richtige Meinung – Küppersbusch TV. 28. Juli 2022, abgerufen am 11. Juli 2023 (deutsch).
  34. Mathias Brodkorb: Bewusstseins-Arbeiter auf Staatskosten. In: Cicero, 7. August 2022 (Bezahlschranke).
  35. Nico Popp: Hilfe für den Verfassungsschutz. In: Junge Welt, 17. Oktober 2022.
  36. Harald Neuber: "Jetzt hilft nur noch die Weisheit des westfälischen Friedens". In: Telepolis, 16. November 2022.
  37. Staatsknete für die richtige Meinung: Teil 2 – Küppersbusch TV. 22. Dezember 2023, abgerufen am 22. Dezember 2023 (deutsch).