Sophie Freud – Wikipedia

Miriam Sophie Freud (geboren am 6. August 1924 in Wien, Österreich; gestorben am 3. Juni 2022 in Lincoln, Massachusetts, Vereinigte Staaten[1]) war eine österreichisch-US-amerikanische Psychologin, Sozialpädagogin und Sozialwissenschaftlerin sowie Autorin. Sie war als Tochter des ältesten Sohnes von Sigmund Freud dessen letzte noch lebende Enkelin.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geburts-Zeugnis von Sophie Freud

Sophie Freud war Tochter des Rechtsanwalts Jean-Martin Freud und der Logopädin Ernestine („Esti“) Freud, geborene Drucker, sowie die Schwester von Anton Walter. Zunächst besuchte Sophie Freud bis zur 4. Klasse das private Realgymnasium der Schwarzwald-Schule von Eugenie Schwarzwald, nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 flüchtete sie zusammen mit ihren Bruder und ihrer Mutter nach Paris, bevor Sophie Freud mit ihrer Mutter über Nizza, Casablanca und Lissabon im November 1942 in die USA emigrieren, wo sie das College besuchte. 1946 ging sie nach Boston und absolvierte dort eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin, die sie 1948 abschloss. Danach war sie als Sozialarbeiterin und Dozentin tätig.[2]

1967 begann Freud ein Studium an der privaten Brandeis University in Waltham, welches sie 1970 mit Promotion beendete. Anschließend war sie zunächst als Dozentin am Bostoner Simmons College tätig, dann von 1978 bis zu ihrer Emeritierung 1992 als Professorin an der dortigen School of Social Work.[2] Nach ihrer Emeritierung lehrte und forschte sie weiter und übernahm weiterhin Lehraufträge, hielt öffentliche Vorträge und beteiligte sich an wissenschaftlichen Konferenzen.

Freud übte öfter Kritik an psychoanalytischen Theorien. Mitte der 1970er-Jahre schrieb sie als eine der Ersten über eine neue Sicht weiblicher Sexualität. In ihren wissenschaftlichen Arbeiten unterstrich sie die Wichtigkeit, die die Umwelt auf die menschliche Entwicklung ausübt, und begab sich damit in einen Gegensatz zur Betonung der Innenwelt. Sie befasste sich unter anderem mit den Themen „Lesbische Frauen“, „Feminismus“ und „Ethische Dilemmata in der Sozialarbeit“ sowie mit postmodernen Ansätzen zur Ausbildung von Sozialarbeitern. Ende des 20. Jahrhunderts beschäftigte sie sich mit der „Sozialen Konstruktion von Normalität“ und mit „Neuen Identitäten für das neue Jahrhundert“.[3]

Sie veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Artikel in meist englischsprachigen Fachzeitschriften und Anthologien, unternahm Vortragsreisen und verfasste etwa achtzig Rezensionen psychologischer Bücher. Ihre 1988 bei NYU Press erschienene Autobiografie My three mothers and other passions wurde in mehrere Sprachen übersetzt; die deutschsprachige Ausgabe von 1989 liegt inzwischen in mehreren Auflagen und Ausgaben vor. Ihr zuletzt veröffentlichtes Werk Im Schatten der Familie Freud enthält Aufzeichnungen ihrer Mutter und beschreibt ihre eigene kritische Auseinandersetzung mit ihrem Großvater Sigmund Freud, den sie für weit überschätzt hielt und als einen der „falschen Propheten des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete.[4][5][6]

Freud kehrte erstmals 1960 nach Wien zurück und besuchte ab Ende der 1980er-Jahre regelmäßig Österreich; 1978 erhielt sie die österreichische Staatsbürgerschaft zurück. Sie war ab 1945 mit dem Emigranten Paul Löwenstein (auch Loewenstein) verheiratet, von dem sie sich in den 1980er-Jahren wieder scheiden ließ. Das Paar hatte zwei Töchter und einen Sohn, George Loewenstein, Professor für Wirtschaftswissenschaften und Psychologie an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh. Sophie Freud lebte ab 1946 in Boston.[2] Nach der Scheidung nahm sie ihren Mädchennamen wieder an.[7]

Sie starb Anfang Juni 2022 im Alter von 97 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs in Lincoln, Massachusetts.[8]

Publikationen, Vorträge, Interviews (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bücher

  • Im Schatten der Familie Freud. Meine Mutter erlebt das 20. Jahrhundert. Claassen-Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-546-00398-5. (Biografie; Übersetzung: Erica Fischer und Sophie Freud; Buchbesprechung beim ORF.at)
  • My three mothers and other passions. New York University Press, New York 1988, ISBN 0-8147-2588-0. (englisch; Autobiografie)
    • Meine drei Mütter und andere Leidenschaften. Übersetzung Brigitte Stein. Düsseldorf : Claassen, 1989 ISBN 3-546-42957-5

Vorträge

Interviews

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Christoph Mentschl: Das Portrait: Sophie Freud. In: Neuer Nachrichtenbrief der Gesellschaft für Exilforschung, Nr. 28, Dezember 2006 ISSN 0946-1957 S. 19–20 (exilforschung.de, PDF)
  • Doris Ingrisch: Freud, Sophie. In: Brigitta Keintzel, Ilse Korotin (Hrsg.): Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken. Böhlau, Köln 2002 ISBN 3-205-99467-1, S. 198–201.

Radio-Feature[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Sophie Freud – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Sophie Freud, Critic of Her Grandfather’s Gospel, Dies at 97
  2. a b c Christoph Mentschl: Portrait: Sophie Freud. (PDF; 267 kB) In: Neuer Nachrichtenbrief der Gesellschaft für Exilforschung. Gesellschaft für Exilforschung, 28. Dezember 2006, S. 19–20, abgerufen am 21. März 2023.
  3. Doris Ingrisch: Freud, Sophie, 2002, S. 199
  4. Britta Weddeling: Die Vergötterung ist völlig unangemessen. (Memento vom 16. Januar 2016 im Internet Archive) In: Die Zeit, Nr. 24/2006
  5. Sophie Freud. In: Der Spiegel. Nr. 48, 2003, S. 228 (online).
  6. (JAR): Freud zu Freud. Walter-von-Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie (GEP), 19. Juli 2002, archiviert vom Original am 4. März 2016; (Übersetzung aus dem Spanischen von K. Dieckhöfer): „Ausführungen von Freuds Enkelin Dr. Sophie Freud beim 3. Welt-Kongreß für Psychotherapie im Juli 2002 in Wien“
  7. André Hellers Menschenkinder: Sophie Freud. In: tv.orf.at. 21. Dezember 2017, abgerufen am 22. Dezember 2017.
  8. Sophie Freud, 97 – Nachruf. In: Der Spiegel. 10. Juni 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 10. Juni 2022]).