Peter Grottian – Wikipedia

Peter Grottian (* 27. Mai 1942 in Wuppertal; † 29. Oktober 2020 in Bregenz[1]) war ein deutscher Sozialwissenschaftler und politischer Aktivist des linken Spektrums.[2]

Peter Grottian 2009 in Gearhart, Oregon

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grottian studierte Sozialwissenschaften in Berlin und Freiburg. 1973 promovierte er im Fach Politikwissenschaft an der Universität Bielefeld. Er war von 1979 bis 2007 Professor für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universität Berlin. Die von ihm geleiteten Seminare befassten sich unter anderem mit politischer Partizipation, lokalen Entscheidungsprozessen sowie machtvollen Akteuren. Häufig stellte er die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Reflexion auch in breitenwirksamen Medien dar.[3] Gemeinsam mit dem am selben Institut lehrenden Wolf-Dieter Narr verzichtete er auf je ein Drittel der eigenen Stelle, um eine Gender-Professur am Institut zu finanzieren.[4]

Neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer, der er seit 1985 aus politischer Überzeugung in Teilzeit nachging, engagierte sich Grottian ehrenamtlich in diversen politischen Initiativen. Dazu zählten das Komitee für Grundrechte und Demokratie und die von ihm mitbegründete Initiative Berliner Bankenskandal.[5] Zudem war er offizieller Unterstützer der überwachungskritischen Datenschutzdemonstration Freiheit statt Angst.[6] Des Weiteren war er Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac.[7] Insbesondere Grottians Engagement gegen die Preiserhöhungen und die Abschaffung des Sozialtickets bei den Berliner Verkehrsbetrieben, auf die er und andere mehrmals mit spektakulären Schwarzfahraktionen aufmerksam machten, sorgte für Schlagzeilen.[8] Die Berliner Justiz ermittelte mehrfach gegen ihn, und konservative Lokalpolitiker forderten immer wieder seine Entlassung aus dem Staatsdienst. Dies alles hatte für Grottian aber weder disziplinarrechtliche noch strafrechtliche Folgen. Nach Berichten des Nachrichtenmagazins Der Spiegel vom Juni 2006 wurde Grottian ab 2003 unter anderem durch V-Personen vom Verfassungsschutz des Landes beobachtet, angeblich existierte aber keine Akte über ihn. Der Vorgang wurde auch im Verfassungsschutz-Ausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin thematisiert.[9]

Zum Ende des Sommersemesters 2007 wurde Peter Grottian emeritiert.[10] Er blieb gleichwohl als Aktivist und Kommentator, etwa zu sozialpolitischen Themen oder Stuttgart 21, aktiv.[11] Im Juni 2018 rief Grottian zu Feldbesetzungen gegen das Pestizid Glyphosat auf.[12] Ende 2019 kritisierte er die Protestaktionen von Klimaaktivisten wie Luisa Neubauer und Extinction Rebellion, die ihre Platzbesetzungen mit der Polizei abgesprochen hatten. Es gehe ihnen eher darum, in die Tagesschau zu kommen, als zivilen Ungehorsam zu leisten.[13]

Grottian starb nach Angaben aus seinem Umfeld am 29. Oktober 2020 in einem Krankenhaus in Bregenz.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ilse Lenz: Die Neue Frauenbewegung in Deutschland. Abschied vom kleinen Unterschied. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-14729-1.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Barbara Dribbusch: Politologe Peter Grottian gestorben: Der Praktiker unter den Politologen. In: taz.de, 30. Oktober 2020. Abgerufen am 30. Oktober 2020.
  2. Benedict Ugarte Chacón: Der Rastlose. Zum Tod des engagierten Professors Peter Grottian. In: nd.Der Tag vom 2. November 2020, S. 5.
  3. Vgl. etwa Anneli Rüling, Karsten Kassner, Peter Grottian: Geschlechterdemokratie leben. Junge Eltern zwischen Familienpolitik und Alltagserfahrungen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 19/2004): Familiale Lebensformen im Wandel. bpb.de, 30. April 2004, abgerufen am 4. April 2019.
    Manfred Ertel, Mathias Müller von Blumencron: „Die müßte man rausschmeißen“. In: Der Spiegel. Nr. 45, 1992, S. 105–110 (online – Spiegel-Interview mit dem Berliner Politologen Peter Grottian über faule Professoren und Mängel in der Lehre).
  4. Prof. Dr. Peter Grottian. Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft, abgerufen am 4. April 2019.
  5. Benedict Ugarte Chacón: Berlin Bank Skandal. Eine Studie zu den Vorgängen um die Bankgesellschaft Berlin. Westfälisches Dampfboot, Münster 2012, ISBN 978-3-89691-909-0, S. 288–297.
  6. Stoppt die Vorratsdatenspeicherung! – Unterstützer – Einzelpersonen. In: vorratsdatenspeicherung.de. Abgerufen am 4. April 2019.
  7. Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates. In: attac-netzwerk.de. Januar 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. März 2016; abgerufen am 4. April 2019.
  8. Jochen Leffers: Strafbefehl gegen Professor: Fahrt schwarz, Grottian zahlt. In: Spiegel Online / UniSpiegel. 10. Dezember 2004, abgerufen am 4. April 2019.
    Grottian zahlte für 50 Schwarzfahrer. In: Der Tagesspiegel. 21. Januar 2004, abgerufen am 4. April 2019.
  9. Bespitzelter Professor: Verfassungsschutz räumt Fehler ein. In: Spiegel Online. 12. Juni 2006, abgerufen am 4. April 2019.
  10. Felix Lee, Richard Rother: Der Professor für das Politische. In: taz. 8. Juni 2007, S. 19, abgerufen am 4. April 2019.
  11. 1. Corinna Buschow: Occupy-Bewegung muss Inhalte formulieren. In: epd.de. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. Juli 2012; abgerufen am 4. April 2019.
    2. Walter Steiger: Prof. Dr. Peter Grottian – Großdemo gegen Stuttgart 21. (Video; 13:29 Minuten) In: YouTube. 21. Mai 2011, abgerufen am 4. April 2019.
    3. Stuttgart 21. Grottian: „Wir setzen auf massenhaften zivilen Ungehorsam“. In: Focus Online. 13. November 2013, abgerufen am 9. Februar 2024.
  12. Jost Maurin: Politologe Grottian startet Protestaufruf: Feldbesetzungen gegen Glyphosat. In: Die Tageszeitung (taz). 28. Juni 2018, abgerufen am 29. Juni 2018.
  13. Peter Grottian: Rebellion als Pose. In: Jungle World. 14. November 2019, abgerufen am 18. November 2019.