Manfred Stumpf – Wikipedia

Detail „Einzug in Jerusalem“ aus dem Wandmosaik im U-Bahnhof Habsburgerallee, Frankfurt am Main, 2010
Detail des Wandmosaiks
Einzug in Jerusalem, Fresko von Giotto in der Capella degli Scrovegni
Christusstatue auf dem Corcovado in Rio de Janeiro

Manfred Stumpf (* 25. November 1957 in Alsfeld) ist ein deutscher Zeichner, Konzept- und Computerkünstler. Er studierte ab 1976 bei Thomas Bayrle an der Städelschule in Frankfurt am Main, ab 1978 bei Hans Haacke an der Cooper Union in New York und ab 1979 bei Bazon Brock an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien, lebt in Romrod im Vogelsbergkreis und Frankfurt am Main.

Seit 1995 ist Stumpf Professor für Aktzeichnen und Konzeptionelles Zeichnen im Fachbereich Visuelle Kommunikation und leitet interdisziplinäre Projekte an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main.

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Auf der Suche nach einer verbindlichen, symbolhaften Bildsprache stößt Stumpf auf das frühe Christentum und die byzantinische Kunst. Er nutzt diese tradierte Symbolik für seine Werke und füllt sie mit Themen der heutigen Zeit.“[1] Daraus hervorgegangen ist seine Ikone "Einzug in Jerusalem" (1986), die er im Rahmen des Projektes „Contempler“ in einem Container auf eine weltweite Wanderausstellung schickte, und die er bis heute variiert.

Stumpf arbeitete anfänglich mit dem Rapidographen an seinen klaren, in filigraner Makellosigkeit ausgeführten DIN A-4 Zeichnungen.[2] Später entwickelte er seine Bildfindungen auch am Computer – so etwa den Bildschirmschoner Angeline (1994/96) – und bewegt sich damit in „Spirituellen/Virtuellen Weltrealitäten“. 1987 löst Stumpf das Element des Palmzweigs aus seiner Ikone und überträgt es auf zehn 10 Meter hohe Holzobjekte, die er rot bemalt und in seiner Heimatstadt Alsfeld auf einem Acker an der Autobahn A5 als hieratische Zeichen installiert.

Auch der Esel aus „Einzug in Jerusalem“ führt als eigenständiges Motiv ein Eigenleben, so zum Beispiel auf dem großflächigen Wandmosaik im U-Bahnhof Habsburgerallee in Frankfurt am Main, wo er unter anderem eine Uhr, einen Bildschirm oder einen Atomkern auf seinem Rücken trägt.[3][4][5] Das 1992 erstellte Werk zeigt 66 Esel auf rund 200 Meter Wandfläche – „Sinnbilder des vielfach beladenen, den eigenen Weg suchenden Menschen.“[6][7]

1997 führt Stumpf in der Frankfurter Galerie ak eine „Imitatio Christi“ als szenische Darstellung auf. Die aus dieser Aktion entstandenen Zeichnungen werden an den Wänden der Galerie präsentiert. Anlässlich des Deutschen Evangelischen Kirchentags in Frankfurt am Main (2001) entwirft Stumpf unter dem Titel „Super-Rio“ eine 12 Meter hohe Christusfigur, die mit ihren ausgebreiteten Armen und dem Titel direkt auf den Christus des Corcovado-Hügel in Rio de Janeiro verweist, und die er auf sieben verschiedenen „weltlichen Kathedralen“ installiert – so auch auf dem Gebäude der Commerzbank und anderen Großbanken.[8] Stumpf will mit diesem Projekt „den Menschen über die Macht des Geldes stellen“ – die Gipfelkreuze sollen wie eine „geistliche Überschrift hoch über der Stadt“ wirken und Raum für freie Assoziationen über Glauben und Religion lassen.[9]

2005 realisiert Stumpf ein Kirchenfenster für die Waldhufenkirche in Winterkasten. Es thematisiert die „Auferstehung Jesu am Ostermorgen“. Die Farben des Fensters „symbolisieren den Übergang vom Dunkel zum Licht im menschlichen Leben“.[10]

2008 zeigt Stumpf eine umfangreiche Werkschau im Kunstverein Familie Montez in Frankfurt am Main. Auf über 1000 m² präsentiert er alte und neue Arbeiten: Zeichnungen, Malerei und Skulpturen.[11]

2009 arbeitet Stumpf – seit 1995 Professor an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main – mit sechs Studentinnen und Studenten an der Innengestaltung der 57 m² großen, christlichen Kapelle im Neubau des Klinikum Offenbach am Main.[12]

Für das Jahr 2021 plant Manfred Stumpf, Jesu Gleichnis „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“, auf den Paul–Arnsberg–Platz vor der Europäischen Zentralbank zu stellen. Eine Nadel aus Stahl soll 23 Meter hoch gegenüber der EZB in die Luft ragen, vor deren Öhr ein Kamel aus Bronze sitzen wird. Die Nadel soll, wenn sie von oben betrachtet wird, wie eine umgedrehte Palme aussehen und damit den Baum des Lebens oder auch das Reich Gottes, die Ewigkeit, symbolisieren. Die Skulptur „Kamel und Nadelöhr“ soll begehbar und damit erfahrbar sein.[13][14]

Am 3. Dezember 2020 zeichnet Stumpf unter anderem das „Kamel und Nadelöhr“ in seinem Beitrag[15] für das Gemeinschaftsprojekt „Ein ganz normaler Herbst, nur anders…“ im Kunstverein Familie Montez auf eine 18 × 3,25 Meter große Papierbahn. An dem Projekt nehmen über 40 Künstler teil.[16]

Die Behandlung der Linie hat eine lange Tradition und lässt sich von der ägyptischen Hieroglyphe, den klaren Umrissen der mittelalterlichen Tafelmalerei, den Zeichnungen der Romantiker, über die Pop-Art bis heute verfolgen.

Einzug in Jerusalem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reinhold Grether schreibt 1987 im Wolkenkratzer Art Journal: Manfred Stumpf lädt „ein einziges Motiv auf, den 'Einzug in Jerusalem'. Ein frontal aus dem Bild starrender nackter Rittermönch, der eine aufwärtsstrebende Palmzweiggerte beidhändig festhält, sitzt im Damensitz auf einem flächenbezogenen, bodenständigen Esel, der hinter einem torähnlichen Bild-im-Bild-Rechteck einhertrabt. Kuppelartig überwölbt ein nach oben abstrahlender gefiederter Palmenschopf, vom gehirntragenden (oft wirbelsäulenartigen), elastisch gebogenen Palmbaumschaft gehalten und geerdet, das seltsame Paar. (Es kommt auf Bildbewegungen, Fläche-Figur-Verhältnisse, Form-Linie-Korrespondenzen und subtile Näherungen an.) Aus der Bildentwicklung ist ablesbar, daß der Reiter aus dem Weltall niederfährt, daß er sich in A4 inkarniert, daß er sich seine kleine Szene schafft, welche zunehmend abstrakter und abweisender wird und sich womöglich verflüchtigt.“[17]

Stumpf selbst erläutert 2015: „Es handelt sich bei der Ikone 'Einzug in Jerusalem' um ein Ritual, das weit in die Vorgeschichte des Christentums hineinreicht, um einen Mythos, der sich nach beiden Richtungen hin, in die Zukunft und in die Vergangenheit, als interreligiöses Bild tragfähig erweist. Das prähistorische Reiterbild wird bei Jesaja in die jüdisch-messianische Vorstellung transfiguriert und anschließend in die christliche Ikonographie aufgenommen, als Einlösungsmotiv der Gottwerdung des Menschen.“[18] Die Hinwendung zur Ikone als „das Bild aller Bilder“ ist für ihn intuitiv, dann theoretisch-konzeptionell geschehen. Bevor er Tausende Bilder erschafft, konzentriert er sich lieber auf eines, denn man kann alles an einem einzigen Motiv verstehen, wie man doch auch den einen Menschen heiraten, lieben und mit ihm leben kann.[6]

Zitat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Wenn die Zeichnung nicht stimmt, kannst Du alles andere vergessen.“

Manfred Stumpf[17]

„Für Manfred Stumpf ist die Zeichnung die ideale Form des Ausdrucks. Er vergleicht sie mit dem japanischen Haiku (…) Übertragen auf die Zeichnungen heißt das, daß das Erzählerische möglichst reduziert werden soll.“

Nadia Ismail[1]

„Tausende von Zeichnungen hat Manfred Stumpf gemacht, in ihnen die Verläufe der Linien erprobt, ertestet, erforscht, bis sie am Ende wie elektrisch aufgeladen Körper umschreiben, in deren Inneren es brodelt und lebt.“

Gislind Nabakowski[19]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stipendien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1982: Jahresstipendium der Frankfurter Künstlerhilfe e. V.
  • 1985: Stipendium für junge Bildende Künstler, Alsfeld
  • 1989: Villa Massimo, Rom
  • 1991: Stipendium der Agency for Cultural Affairs (Bunkacho), Tokio

Preise und Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausstellungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sammlungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rolf Lauter (Hrsg.): Manfred Stumpf, Skizzenbuch der Ikone „Einzug in Jerusalem“, Hatje Cantz Verlag, 1996, ISBN 978-3-89322-856-0.
  • Giselher Hartung (Hrsg.): „Tie-Break“ von Laura Baginski und Manfred Stumpf, Bruno Dorn Verlag, Frankfurt am Main, 2013, ISBN 978-3-942311-14-4.
  • Manfred Stumpf: Neurogeld. In: Kunstforum International, Band 149, März 2000, S. 186–187.
  • Gislind Nabakowski, Manfred Stumpf: Zeichnungen Frankfurter Kunstverein. In: Kunstforum International, Band 81, 1985, S. 263–264.
Manfred Stumpf: Wandmosaik im U-Bahnhof Habsburgerallee (Panorama), Frankfurt am Main

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Nadia Ismail, Der Einzug in Jerusalem (Memento vom 31. Mai 2005 im Internet Archive), Artothek im Bonner Kunstverein Bestandskatalog, August 2002
  2. Bernd Growe, Manfred Stumpf, Prospect 86, Frankfurter Kunstverein, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Katalog S. 211, September 1986
  3. Einzug in Jerusalem
  4. Manfred Stumpf: Einzug in Jerusalem@1@2Vorlage:Toter Link/www.mariam-ffm.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im September 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  5. Zum Palmsonntag (Memento vom 2. April 2007 im Internet Archive), Katholische Kirche beim Hessischen Rundfunk, hr.bistumlimburg.de, 1. April 2007
  6. a b Katharina Deschka-Hoeck, Unüberwindbare Hürden vor Einzug ins Paradies, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Mai 2015
  7. 31. Mai: Vor 15 Jahren wurde der U-Bahn-Abschnitt Zoo – Enkheim eröffnet, vgf-ffm.de, 30. Mai 2007
  8. Evangelischer Pressedienst, epd-bild: Thema „Kultur“ @1@2Vorlage:Toter Link/213.144.21.246 (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., epd.de
  9. „Super-Rio“-Gipfelkreuze sollen Kirchentags-Symbole werden, genPost-red, 11. Juni 2001
  10. Daheim ist Daheim (Memento vom 27. Oktober 2007 im Internet Archive), Evangelische Sonntagszeitung, 22. Mai 2005
  11. Manfred Stumpf im Kunstverein Familie Montez (Memento des Originals vom 8. Januar 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.artsite.tv, artsite.tv, Februar 2008
  12. Wiebke Rannenberg HfG gestaltet neue Klinikkapelle, Ein demokratischer Altar, Frankfurter Rundschau / fr-online.de, 17. Dezember 2009
  13. Lilith Becker, Ein Kamel vor der EZB, evangelisch.de, 26. September 2019
  14. Boris Schlepper, Ein Kamel für den Arnsberg-Platz, Frankfurter Rundschau, fr.de, 29. Mai 2019
  15. KVFM Homepage – Ausstellung „Ein ganz normaler Herbst, nur anders…“, abgerufen am 28. Februar 2021
  16. Anja Laud, Ein Fest der Lebensfreude, Frankfurter Rundschau, fr.de, 23. Dezember 2020, abgerufen am 28. Februar 2021
  17. a b Reinhold Grether, Ungesäuerte Brote – Neue Zeichen aus Frankfurt?, Wolkenkratzer Art Journal, No. 6/1987, S. 20–33
  18. Marielies Hess-Kunstpreis 2015 – Manfred Stumpf (Memento vom 16. April 2015 im Internet Archive), hr-online.de, 23. März 2015
  19. Gislind Nabakowski, Manfred Stumpf – Zeichnungen Frankfurter Kunstverein, Kunstforum International, Band 81, 1985, S. 263–264
  20. Launch Of The Art Critic And Informative Forum (Memento vom 9. August 2016 im Internet Archive), Goethe-Institut Kenia, November 2015
  21. Manfred Stumpf - Vollmondnacht am Kilimanjaro, Goethe-Institut Kenia, Januar 2016, abgerufen am 13. Juli 2021

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Manfred Stumpf – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien