Lucius Calpurnius Piso Frugi Licinianus – Wikipedia

Lucius Calpurnius Piso Frugi Licinianus (* 38; † 15. Januar 69 in Rom) war ein römischer Senator und kurzzeitig im Jahr 69 römischer Mitkaiser bzw. Thronfolger des Galba und damit erster designierter Thronerbe, der nicht mit dem vorhergehenden Kaiser verwandtschaftlich verbunden war.

Leben und Karriere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lucius Calpurnius Piso wurde im Jahr 38 geboren.[1] Er stammte aus einem vornehmen römischen Geschlecht.[2] Seine Eltern waren Marcus Licinius Crassus Frugi, der im Jahr 27 Konsul war, und Scribonia.[3] Unter der Herrschaft des Claudius wurde der Vater,[4] unter derjenigen Neros die Mutter getötet, und Piso musste in Verbannung leben.[5] Als nach dem Selbstmord Neros Galba am 8. Juni 68 zum Kaiser ausgerufen wurde, rief er Piso nach Rom zurück und adoptierte ihn am 10. Januar 69.[6] Laut Sueton hatte der kinderlose Galba schon vorher Gefallen an Piso gefunden und diesen in seinem Testament zum Erben seines Vermögens und Namens eingesetzt.[7]

Vorangegangen war der Adoption der Abfall der Legionen am Rhein von Galba: Am 1. Januar 69 verweigerten diese Legionen den Treueeid auf den Kaiser.[8] Galba hoffte, seine bedrohte Position durch die rechtzeitige Regelung der Nachfolge stabilisieren zu können.[9] Nach seiner Adoption wurde Piso den Prätorianern und Senatoren sogleich als Nachfolger (Caesar) präsentiert; doch Galba unterließ es, die in diesem Zusammenhang üblichen Geldgeschenke zu machen, was ihm und Piso den Unmut der Soldaten einbrachte.[10] Piso, der jung war, noch kein Amt bekleidet hatte und praktisch keine Verdienste vorweisen konnte, die in römischen Augen eine für einen Kaiser ausreichende auctoritas begründet hätten, war insgesamt in keiner besonders guten Position, besaß aber immerhin die Position eines XVvir sacris faciundis.[11] Wenn Galba vor seinen engsten Beratern tatsächlich, wie Tacitus in seinen Historien überliefert,[12] von der „Auswahl des Besten“ sprach, muss dies folglich vor allem auf die Abstammung Pisos gemünzt gewesen sein.[13] In den vier Tagen zwischen Adoption und Tod sei Piso, so Tacitus, weder durch eine öffentliche Rede noch durch eine Handlung hervorgetreten.[14] Im Senat sei der Plan diskutiert worden, Piso zu den meuternden Legionen am Rhein zu schicken, was unter anderem vom Prätorianerpräfekten Laco, dessen Teilnahme ebenfalls erwogen worden war, verhindert worden sei.[15]

Als sich am 15. Januar Otho, der selbst gehofft hatte, von Galba adoptiert zu werden,[16] zum Kaiser proklamierte, wurde Galba auf dem Forum nach einem Opfer ermordet.[17] Piso, der in einem Vesta-Tempel Schutz gesucht hatte, wurde dort herausgezerrt und ebenfalls ermordet; ihre abgeschlagenen Köpfe wurden ins Prätorianer-Lager zu Otho gebracht.[18] Pisos Gemahlin, Verania Gemina, und sein älterer Bruder, Crassus Scribonianus,[19] bestatteten ihn.[20] Die Grabinschrift für Piso und seine Frau ist überliefert.[21]

Als das Bürgerkriegsjahr 69 zu Ende ging, hatte der General Vespasian als neuer Kaiser die Macht übernommen. Der Bruder Pisos, Crassus Scribonianus, fiel nun der Regierung Vespasians zum Opfer und wurde ermordet.[22] Im Jahre 70 sprach man sich im Senat dafür aus, Pisos Andenken zu ehren, ohne gegen Domitian, der Vespasian im Senat vertrat, damit durchdringen zu können.[23]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Tacitus, Historien 1,48,1.
  2. Zum "höchsten Adel" zählt ihn Edmund Groag: Calpurnius 100. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,1, Stuttgart 1897, Sp. 1400.
  3. Tacitus, Historien 1,14; Plutarch, Galba 23.
  4. Seneca, Apocolocyntosis 11. Plutarch, Galba 23 nennt irrtümlich Nero als Verantwortlichen; siehe Prosopographia Imperii Romani (PIR2) (1970) L 190.
  5. Tacitus, Historien 1,21,1; 1,38,1; 1,48,1; Plutarch, Galba 23.
  6. Tacitus, Historien 1,38,1; 1,48,1; Sueton, Galba 17; CIL VI 2051 (online).
  7. Sueton, Galba 17. Nach Tacitus, Historien 1,14 war die Adoption entweder eine persönliche Entscheidung Galbas oder eine Empfehlung des Laco. Gwyn Morgan: 69 AD. The Year of Four Emperors. Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 978-0-19-512468-2, S. 59 hält die Version Suetons für sehr unwahrscheinlich; anders Kenneth Wellesley: The Year of the Four Emperors, 3. Auflage. Routledge, London/New York 2000, ISBN 0-415-23228-7, S. 18.
  8. Tacitus, Historien 1,12.
  9. Tacitus, Historien 1,12.
  10. Tacitus, Historien 1,18.
  11. CIL VI 31723 (online). Kenneth Wellesley: The Year of the Four Emperors, 3. Auflage. Routledge, London/New York 2000, ISBN 0-415-23228-7, S. 18 vermutet, dass Galba als Pontifex Maximus Piso schon vor der Adoption den Zugang zu diesem Priesteramt verschafft hat.
  12. Tacitus, Historien 1,15f. Siehe zur Rede ausführlich Heinz Heubner: P. Cornelius Tacitus - Die Historien. Kommentar. Band I: Erstes Buch. Carl Winter, Heidelberg 1963, S. 47–54.
  13. Nach Gwyn Morgan: 69 AD. The Year of Four Emperors. Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 978-0-19-512468-2, S. 59f. handelt es sich bei der Rede um eine Erfindung "by Tacitus or by an earlier historian", doch sei der Grund für die Wahl Pisos gewesen, dass "Piso's ancestry far surpassed that of any other claimant to the throne, and it ought to have won the respect of the senate".
  14. Tacitus, Historien 1,19.
  15. Tacitus, Historien 1,19.
  16. Tacitus, Historien 1,13.
  17. Tacitus, Historien 1,41; Sueton, Galba 20.
  18. Tacitus, Historien 1,43; 44; Plutarch, Galba 27.
  19. Siehe Prosopographia Imperii Romani (PIR2) (1970) L 192.
  20. Tacitus, Historien 1,47; Plutarch, Galba 28.
  21. CIL VI 31723 (online). Eine englische Übersetzung bietet Kenneth Wellesley: The Year of the Four Emperors, 3. Auflage. Routledge, London/New York 2000, ISBN 0-415-23228-7, S. 27: "To the Divine Spirit of L. Calpurnius Piso Frugi Licinianus, Member of the Committee of 15 in Charge of Sacrifices, and of Verania, Daugther of Q. Veranius, Consul and Augur, Gemina, Wife of Piso Frugi."
  22. Tacitus, Historien 1,48,1. Vgl. Gwyn Morgan: 69 AD. The Year of Four Emperors. Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 978-0-19-512468-2, S. 59.
  23. Tacitus, Historien 4,40.