Jascha Urbach – Wikipedia
Jascha Urbach (* 28. September 1980 in Lauterbach, Hessen als Stephan Urbach) ist ein deutscher Autor und Aktivist, der durch sein Engagement gegen das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) und seine Mitwirkung bei Telecomix, einer Vereinigung von Netzaktivisten, bekannt wurde. Bis 2013 war er Mitglied der deutschen Piratenpartei, in der er verschiedene Ämter innehatte.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Urbach studierte an der Universität Frankfurt Deutsch und Geschichte. Er brach sein Studium ab und absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Danach arbeitete er bei der AOL-Tochter Adtech.[1] Von 2011 bis Februar 2014 war er als Referent der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin tätig.[2] Er lebt und arbeitet als freier Autor in Berlin.
Im November 2021 verkündete Urbach, von nun an unter dem Namen Jascha Urbach zu leben.[3] Als seine Geschlechtsidentität gibt er „demi-male“ an.[3] Im Internet war und ist Urbach vielfach unter dem Nickname tomate unterwegs, etwa in der Piratenpartei,[4] im IRC bei Telecomix[5] oder auf seinem persönlichen Blog.[6][3]
Aktivitäten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Urbach fungierte bis 2013 als Sprecher für Telecomix in Deutschland,[7] einer internationalen Gruppe, die technische Infrastruktur für den arabischen Frühling bereitstellte. Er nahm als Vertreter von Telecomix als Sachverständiger an einer Anhörung zu ACTA im Abgeordnetenhaus von Berlin teil[8] und gab Interviews in Funk, Fernsehen und Presseorganen.[9][10][11] Der Sender EinsPlus behandelte seine Erlebnisse im arabischen Frühling in dem dokumentarischen Film Die Hacker und die Syrer,[12] Arte interviewte ihn in der Reportage Der Krieg um das Internet – Hacker als Revolutionshelfer,[13] der WDR produzierte das knapp einstündige Radiofeature Das Hacker-Syndrom über ihn.[14][15] Der Spiegel veröffentlichte im April 2011 eine Reportage über seine Arbeit mit Telecomix,[16] Taz und Zeit berichteten über seine extremen psychischen Belastungen durch den Online-Aktivismus.[17][18] Letztere sind das zentrale Thema seines 2015 veröffentlichten Buchs .NEUSTART: Aus dem Leben eines Netzaktivisten.[5]
Von Juni bis Dezember 2009 war er Vorsitzender des Kreisverbandes Main-Kinzig der Piratenpartei.[19] Am 16. Mai 2010 wurde er in das Bundesschiedsgericht der Piratenpartei gewählt, dessen vorsitzender Richter er war.[20] Die Jungen Piraten (jetzt: europe beyond division) ehrten ihn am 20. September 2009 mit einer Ehrenmitgliedschaft.[21] Bei einem Treffen Urbachs mit dem früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Februar 2012 wurde Guttenberg von Aktivisten mit einer Sahnetorte attackiert.[22][23] Beim Bundesparteitag der Piraten im November 2012 reiste Wahlleiter Urbach vorzeitig ab und erklärte: „Das ist nicht meine Partei.“[24] Für die Bundestagswahl 2013 wurde Urbach auf Platz 11 der Landesliste gewählt, gab jedoch im April 2013 seinen Parteiaustritt und den Verzicht auf seinen Listenplatz bekannt.[25][26]
Im Jahr 2012 unterstützte Urbach die Flüchtlinge auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor und später auf dem Oranienplatz in Berlin[25] und wurde daraufhin Opfer einer Attacke von Neo-Nazis.[27]
Für die Hommage Ein Tag mit … Sibylle Berg und Freunden inszenierte er zusammen mit Tina Lorenz im Oktober 2013 am Haus der Theaterfestspiele in Berlin die Installation Die Hackers.[28] Im April 2014 hielt er Vorträge am MIT Center for Civic Society,[29] am Berkman Center for Internet & Society[30] und beim Information Society Project der Yale Law School[31] über Technologie, Revolutionen und Überwachung. Im Juni 2014 schrieb er die Kolumne Dinge & Angelegenheiten für das Blank-Magazin, es blieb allerdings bei einer Ausgabe.[32]
Im August 2016 sprach sich Urbach in einem Interview mit der HIV-Präventionskampagne Hessen ist geil gegen die Stigmatisierung HIV-positiver Menschen aus und kritisierte die existierenden Kampagnen.[33]
Ab 2018 betrieb er nebenberuflich den Ach je Verlag mit dem Anspruch, „(junge) Autorinnen sichtbarer zu machen, die unterrepräsentierten Gruppen angehören und/oder Texte abseits der goßen Publikumsverlage produzieren“.[34][35] Der Verlag wurde 2021 vom Amrûn Verlag übernommen[36] und wird als Imprint weiter geführt.
Von Juli 2022 bis Juni 2023 schrieb Urbach die Kolumne Kann Hetenfeindlichkeit enthalten, die auf dem netzpolitischen Blog Netzpolitik.org erschien.[37]
Veröffentlichungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- .NEUSTART: Aus dem Leben eines Netzaktivisten. Knaur, München 2015, ISBN 978-3-426-78729-8 (Leseprobe in der Google-Buchsuche).
- Beyond the Gate. Kurzgeschichte. In: Christian Vogt (Hrsg.): Ace in Space – Trident. Ach je, Berlin 2021, ISBN 978-3-947720-76-7, S. 90–99.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Podcast von Thilo Jahn: Stephan Urbach: „Ich war besessen vom Helfen“. In: Deutschlandfunk Nova. 23. Mai 2015 (43:54 Minuten; Reihe Redaktionskonferenz).
- Torsten Kleinz: Blackout: Mit Modems und Funkgeräten gegen die Zensur. In: Zeit Online. 1. Februar 2011.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Stephan Urbach: I used to work in a bank, at AOL, 10 years in a rock/metal club, in the Berlin parliament and I have no idea what else. In: Twitter. 29. Oktober 2017, abgerufen am 13. Juni 2019 (englisch).
- ↑ Stephan Urbach: Biographie. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 19. Mai 2014; abgerufen am 21. Mai 2014.
- ↑ a b c tomate: Public Service Announcement: Ich bin Jascha. Abgerufen am 15. Dezember 2021.
- ↑ Benutzer:Tomate – Piratenwiki. In: Piratenwiki. Piratenpartei Deutschland, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 10. Januar 2013; abgerufen am 19. Dezember 2021.
- ↑ a b Stephan Urbach: .NEUSTART: Aus dem Leben eines Netzaktivisten. Knaur, 2015, ISBN 978-3-426-78729-8, S. 256.
- ↑ jascha.wtf. Jascha Urbach, abgerufen am 8. September 2022 (deutsch).
- ↑ Stephan Urbach über sein Buch „Neustart“. Burn-Out eines Netzaktivisten. Interview von Liane von Billerbeck, Deutschlandfunk, 1. Oktober 2015
- ↑ Markus Beckedahl: ACTA-Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus. netzpolitik.org, 8. Mai 2012, abgerufen am 18. Mai 2014.
- ↑ Piraten: Lobbyisten haben ACTA mitverhandelt, Stephan Urbach im Gespräch mit Dieter Kassel, Deutschlandradio Kultur, 2. Februar 2012.
- ↑ Torsten Groß »Facebook kann ich nicht bedienen« ( vom 13. Juli 2014 im Internet Archive), Interview mit Stephan Urbach, Spex, 20. November 2012.
- ↑ Katrin Heise: "Regulierung macht uns das eigentlich kaputt", Interview mit Stephan Urbach, Deutschlandradio Kultur, 5. Dezember 2012.
- ↑ Leben! Die Hacker und die Syrer. ard, abgerufen am 18. Mai 2014.
- ↑ Der Krieg um das Internet – Hacker als Revolutionshelfer ( vom 14. Juli 2014 im Internet Archive), Arte Journal, 30. Dezember 2011.
- ↑ Johannes Nichelmann: Das Hackersyndrom! Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 18. Mai 2014; abgerufen am 18. Mai 2014.
- ↑ Netzwelt: Das Hacker-Syndrom, Deutschlandradio Kultur, 4. Januar 2014.
- ↑ Ole Reißmann und Marcel Rosenbach: Revolutionshilfe aus Berlin. SPIEGEL online, abgerufen am 18. Mai 2014.
- ↑ Laura Wösch: Onlineaktivist Stephan Urbach: Der depressive Hacker. In: Taz. 15. Juni 2012.
- ↑ Khuê Pham: Arabische Unruhen: Schlaflos in Charlottenburg. In: Die Zeit. 4. Januar 2013.
- ↑ HE:Kreisverband Main-Kinzig/Vorstand/Tätigkeitsberichte/Vorsitzender. Piratenwiki, abgerufen am 22. Mai 2014.
- ↑ Bundesschiedsgericht. Piratenwiki, abgerufen am 22. Mai 2014.
- ↑ Protokoll Bundesmitgliederversammlung 2009.2. (PDF) Junge Piraten, abgerufen am 22. Mai 2014.
- ↑ Maike Schultz, Jan Thomsen: Bei Berliner Treffen mit Pirat: Tortenattacke auf Guttenberg, Frankfurter Rundschau, 3. Februar 2012.
- ↑ Karl-Theodor wird zu Kuchenberg. In: B.Z. 3. Februar 2012, abgerufen am 21. Dezember 2021.
- ↑ Petra Sorge: Piraten-Wahlleiter: „Das ist nicht meine Partei“, Cicero (Zeitschrift), 26. November 2012.
- ↑ a b Sebastian Heiser: Piraten auf dem Rückzug. taz, 15. April 2013, abgerufen am 22. Mai 2014.
- ↑ Caspar Clemens Mierau: Stephan Urbach gibt Austritt und Verzicht auf Listenplatz bekannt. popcornpiraten.de, 14. April 2013, abgerufen am 19. Mai 2014.
- ↑ Mikael in den Fahrt: Nazis greifen Aktivisten wegen #refugeecamp an. Metronaut, 6. November 2012, abgerufen am 22. Mai 2014.
- ↑ Ein Tag mit … Sibylle Berg und Freunden. Künstler und ihre Freunde im Porträt. Berliner Festspiele, abgerufen am 15. Juni 2014.
- ↑ Civic Media Lunch, Stephan Urbach: "Revolution and Technology: A political Framing". MIT Media Lab, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 18. Mai 2014; abgerufen am 18. Mai 2014.
- ↑ Stephan Urbach: Lecture at Berkman Center, Harvard (not public). 16. Mai 2014, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 18. Mai 2014; abgerufen am 18. Mai 2014.
- ↑ Thomson Reuters Speaker Series: Stephan Urbach. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 18. Mai 2014; abgerufen am 18. Mai 2014.
- ↑ Stephan Urbach: Dinge & Angelegenheiten. Die neue Kolumne von Stephan Urbach. Heute: Fensterrentner. Blank-Magazin, abgerufen am 10. Juni 2014.
- ↑ Björn Beck: Stirb an deinem Superaids! Präventionsprojekt "Hessen ist geil" der AIDS-Hilfe Hessen, 12. August 2016
- ↑ Leander Wattig: Stephan Urbach: Ich verlege Bücher und konzipiere Tools, die Verlagen das Leben erleichtern sollen. In: Was mit Büchern. 1. August 2018, abgerufen am 6. Januar 2024.
- ↑ Ach Je-Verlag. Verlagsprofil. In: Vorablesen.de. Abgerufen am 6. Januar 2024.
- ↑ Stephan Urbach: Der Ach je Verlag wechselt den Besitzer. 3. November 2021, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 27. November 2021; abgerufen am 6. Januar 2024.
- ↑ Jascha Urbach: Ende nicht gut, 18. Juni 2023
Personendaten | |
---|---|
NAME | Urbach, Jascha |
ALTERNATIVNAMEN | Urbach, Stephan (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Aktivist |
GEBURTSDATUM | 28. September 1980 |
GEBURTSORT | Lauterbach, Hessen |