Hans Severus Ziegler – Wikipedia

Hans Severus Ziegler (* 13. Oktober 1893 in Eisenach; † 1. Mai 1978 in Bayreuth) war ein deutscher Publizist, Intendant, Lehrer und NS-Funktionär.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans Severus Ziegler wurde in Eisenach als Sohn des Kaufmanns und Bankiers Severus Ziegler und der Amerikanerin Mary Francis Schirmer, einer Tochter des deutsch-amerikanischen Musikverlegers Gustav Schirmer und Freundin von Cosima Wagner, geboren. Seine Schwester Eva sollte später den Dramatiker Otto Erler heiraten.

Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Dresden und Zittau besuchte er das Gymnasium. Vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges diente Ziegler als Einjährig-Freiwilliger, wurde aber wegen einer Krankheit dienstunfähig geschrieben. Bis Januar 1919 tat er Lazarettdienst. Danach studierte Ziegler Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie in Jena, Greifswald und Cambridge. Während des Studiums wurde er Mitglied der Burschenschaft Arminia Greifswald im ADB.[1] 1925 wurde er auf Anregung des völkischen Literaturhistorikers Adolf Bartels aufgrund seiner Dissertation über „Friedrich Hebbel und Weimar“ promoviert.

Redakteur und NS-Funktionär[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zwischen 1922 und 1923 war er in Weimar Sekretär von Adolf Bartels und zugleich Redakteur der Monatszeitschrift Deutsches Schrifttum. 1924 wurde er Gründer und Herausgeber der politischen Wochenzeitung Der Völkische und der daraus entstandenen Tageszeitung Der Nationalsozialist.

Ziegler war seit dem 31. März 1925 Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 1.317).[2] Zwischen 1925 und 1931 war Ziegler stellvertretender NSDAP-Gauleiter im Gau Thüringen und von 1930 bis 1931 Referent im thüringischen Volksbildungsministerium unter Wilhelm Frick. Auf seinen Vorschlag hin erhielt 1926 auf dem NSDAP-Parteitag in Weimar die NS-Jugendorganisation den Namen Hitler-Jugend. Seit 1928 war er in Thüringen auch Gauleiter des nationalsozialistischen Kampfbunds für deutsche Kultur.[3]

Staatsrat und Generalintendant[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1933 erfolgte Zieglers Ernennung zum Staatsrat und Mitglied der Staatsregierung von Thüringen. Ferner fungierte er als Präsident der Deutschen Schillerstiftung und Reichskultursenator. 1936 wurde er zum Generalintendanten des Deutschen Nationaltheaters in Weimar und Staatskommissar für die thüringischen Landestheater bestellt. In dieser Eigenschaft war er Nachfolger von Ernst Nobbe. Nach dem Röhm-Putsch nahmen die Gerüchte über Zieglers Homosexualität zu und brachten ihn zunehmend in Bedrängnis. 1935 wurde er kurzfristig beurlaubt, da eine Ermittlung wegen § 175 StGB gegen ihn lief, die aber eingestellt wurde.[4][5]

Die Ausstellung „Entartete Musik“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Rahmen der Reichsmusiktage 1938 in Düsseldorf – zu deren Eröffnung Richard Strauss sein Festliches Präludium (1913) dirigiert hatte – organisierte Hans Severus Ziegler in Anlehnung an die Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ von 1937 (mit deren Organisator Adolf Ziegler er jedoch nicht verwandt war) die Ausstellung „Entartete Musik“, in der er gegen Jazz und die Musik von jüdischen Künstlern und Komponisten polemisierte und deren Entfernung aus dem deutschen Musikleben forderte. Anschließend wurde die Ausstellung in Weimar, München und Wien gezeigt. Das Deckblatt der die Ausstellung begleitenden Broschüre trug die Aufschrift: „Entartete Musik – eine Abrechnung von Staatsrat Dr. Hans Severus Ziegler, Generalintendant des Deutschen Nationaltheaters zu Weimar“. Als Abbildung war die Karikatur eines schwarzen Jazzmusikers, der einen Davidstern im Knopfloch trägt, zu sehen; er sollte die Titelfigur aus Ernst Kreneks Jazzoper Jonny spielt auf darstellen.[6] Bereits 1930 – noch als stellvertretender Gauleiter – hatte er einen Erlass für das Land Thüringen unter dem Titel „Wider die Negerkultur, für deutsches Volkstum“ herausgegeben.

1941 erstellte Hans Severus Ziegler eine Liste für den „Hochbegnadeten Nachwuchs“,[7] der vom Kriegsdienst freigestellt werden sollte.

Tätigkeit nach dem Krieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Sowjetischen Besatzungszone wurden mehrere seiner Schriften[8] sowie ein Buch über ihn[9] auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.

Nach Kriegsende arbeitete Ziegler zunächst als Vertreter für Gaststättenporzellan und dann als Privatlehrer in Essen.[2] Von 1952 bis 1954 war er dort Theaterleiter des privaten Kammerschauspiels.[2] Anschließend war er bis 1962 auf der Nordseeinsel Wangerooge Erzieher und Lehrer im Internat des Arztes und Bürgermeisters Dr. Siemens. Er unterrichtete am damals privaten, später staatlichen Inselgymnasium Deutsch und Englisch. Außerdem leitete er die Theatergruppe der Schule, die jährlich im Kinosaal der Insel Aufführungen veranstaltete (z. B. Raub der Sabinerinnen, Die Deutschen Kleinstädter, Prozess um des Esels Schatten, Wilhelm Tell). Er agierte auch selbst als Schauspieler, meist in Hauptrollen. Daneben war er im rechtsextremistischen Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes tätig.[10]

Nach seiner Pensionierung veröffentlichte Ziegler Beiträge und Bücher im rechtsextremistischen Umfeld. Für seinen Ruhestand wählte er Bayreuth, das in seinen Augen für Hitler einst „Kraftquell“ und „Hauptkapital seiner musischen Natur“ gewesen sei. Bis mindestens Herbst 1962 wurde er am dortigen Mädchengymnasium (heutiges Richard-Wagner-Gymnasium) als Aushilfslehrkraft für Englisch eingesetzt. Im selben Jahr meldete eine örtliche Tageszeitung, Ziegler sei für die Leitung der geplanten Studiobühne der Volkshochschule ausersehen. Ziegler traf sich zum Gedankenaustausch im Landgut des NPD-Bundesgeschäftsführers Karl Pollak mit Leuten wie Hans-Ulrich Rudel, Adolf Wolf und Winifred Wagner.[11]

Ziegler lebte bis zu seinem Tod im 84. Lebensjahr in Bayreuth. 1965 erstattete der Künstler Arie Goral Strafanzeige gegen Ziegler und dessen Verleger, den ehemaligen SS-Führer Waldemar Schütz. Zieglers im Vorjahr erschienenes Buch Adolf Hitler – aus dem Erleben dargestellt „verherrliche den Nationalsozialismus und strotze vor antisemitischem Gedankengut“.[12]

Anlässlich seines Ablebens veröffentlichten die „Ehemaligen Schüler des Inselgymnasiums Wangerooge“ in der Tageszeitung Die Welt eine große Todesanzeige. Ziegler war nie verheiratet und starb kinderlos. Während des Dritten Reiches kursierten Gerüchte, er sei homosexuell gewesen.[13]

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das Theater des deutschen Volkes, 1933
  • Praktische Kulturarbeit im Dritten Reich, 1934
  • Wende und Weg. Kulturpolitische Reden und Aufsätze, 1937
  • Das Recht in der Kunst, 1938
  • Entartete Musik, 1939
  • Lyrische Gedichte, 1940
  • Weltanschauung und Gottglaube, 1941
  • Adolf Bartels, ein völkischer Vorkämpfer der deutschen Jugend, 1942
  • Vom Schaffen deutscher Dichter der neueren Zeit, 1957
  • Adolf Hitler – aus dem Erleben dargestellt, 1964
  • Wer war Hitler?, 1970
  • Große Prüfung. Letzte Briefe und letzte Worte Todgeweihter, 1972[14]
  • Heitere Muse, 1974

Theater (Regie)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • „Entartete Musik“ 1999. Eine Antwort auf Hans Severus Ziegler, hrsg. v. Wolfram Huschke u. Claas Cordes. Universitäts-Verlag, Weimar 1999. ISBN 3-86068-109-5.
  • Jens Malte Fischer: Richard Wagners 'Das Judentum in der Musik. Eine kritische Dokumentation als Beitrag zur Geschichte des Antisemitismus. Frankfurt am Main u. a.: Insel 2000. (= Insel-Taschenbuch; 2617; Kulturgeschichte) ISBN 3-458-34317-2.
  • Albrecht von Heinemann: Hans Severus Ziegler. Weimar: Fink 1933.
  • Das verdächtige Saxophon. 'Entartete Musik' im NS-Staat. Dokumentation und Kommentar, hrsg. v. Albrecht Dümling. 5. Auflage, conbrio Verlag, Regensburg 2015. ISBN 978-3-940768-52-0.
  • Albrecht Dümling: Ein wahrer Hexensabbat. Die Ausstellung Entartete Musik im Widerstreit. In: Hellmut Th. Seemann u. Thorsten Valk (Hrsg.): Übertönte Geschichten. Musikkultur in Weimar, Wallstein Verlag, Göttingen 2011, S. 189–206. ISBN 978-3-8353-0876-3.
  • Bernhard Post, Volker Mahl, Dieter Marek: Thüringen-Handbuch – Territorium, Verfassung, Parlament, Regierung und Verwaltung in Thüringen 1920 bis 1995. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1999, ISBN 3-7400-0962-4, S. 644f.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Alexander Graf: Die Wilden 20er Jahre in Marburg – Studenten in nationalsozialistischen Organisationen. In: Helge Kleifeld, Harald Lönnecker, Klaus Gerstein, Peter Krause (Hrsg.:) GDS-Archiv für Hochschul- und Studentengeschichte Bd. 10, Essen 2014, ISBN 978-3-939413-10-3, S. 159
  2. a b c Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, S. 7967.
  3. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 694.
  4. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 682.
  5. Biografie auf rosa-winkel.de, abgerufen am 4. April 2017
  6. Jörg Osterloh: „Ausschaltung der Juden und des jüdischen Geistes.“ Nationalsozialistische Kulturpolitik 1920–1945. Campus, Frankfurt am Main 2020, ISBN 978-3-593-51129-0, S. 468.
  7. Fred K. Prieberg: Musik im NS-Staat. Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main, 1982, S. 308–309.
  8. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-y.html
  9. http://www.polunbi.de/bibliothek/1948-nslit-h.html
  10. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 683.
  11. Bernd Mayer: „Die deutsche Seele zum Klingen bringen“ in: Heimatkurier 4/1997 des Nordbayerischen Kuriers, S. 9 f.
  12. Nordbayerischer Kurier vom 21. September 2015, S. 8
  13. http://www.ziegler.rosa-winkel.de/
  14. Umschlagtext: Nach den Schauprozessen in Nürnberg wurden viele der höchsten Repräsentanten des Reiches Opfer alttestamentlicher Rache. – In diesem Buch sind die letzten Briefe und Worte unter anderem von Hermann Göring, Joachim von Ribbentrop, Arthur Seyss-Inquart, Fritz Sauckel, Wilhelm Keitel und Alfred Jodl zusammengetragen.