Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte – Wikipedia

Physikzentrum Bad Honnef, Sitz der GDNÄ-Geschäftsstelle
Bad Honnef, Hölterhoffstift, Hauptstraße 5, Luftaufnahme (2015)

Die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte e. V. (GDNÄ) ist die älteste und größte interdisziplinäre Wissenschaftsvereinigung in Deutschland (siehe auch: Naturforschende Gesellschaft). Ihre Hauptaufgabe sieht sie im Wissens- und Informationsaustausch zwischen Wissenschaftlern verschiedener Fachdisziplinen und zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Sie wurde im Jahr 1822 in Leipzig gegründet und nach dem Zweiten Weltkrieg im Februar 1950 in Göttingen als Verein wieder gegründet. Sie hat gegenwärtig etwa 4.000 Mitglieder. Ihre Geschäftsstelle befindet sich in den Räumen des Physikzentrums Bad Honnef in Bad Honnef bei Bonn.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lorenz Oken, Gründer der GDNÄ

Die Vereinigung wurde 1822 vom Naturforscher und Arzt Lorenz Oken als Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte gegründet.[1] Im selben Jahr fand in Leipzig die erste Versammlung der Gesellschaft statt. Das Gründungsziel war das persönliche Kennenlernen der deutschen Naturwissenschaftler und Ärzte, um durch den Austausch untereinander zu profitieren. Diese Zusammenkünfte („Verhandlungen“) wurden in der Folgezeit zunehmend zu einem Forum zur Präsentation neuer Ergebnisse aus der naturwissenschaftlichen und medizinischen Forschung. 1828 wurden innerhalb der GDNÄ Fachsektionen eingerichtet. In der Anfangszeit wurde die Arbeit der Gesellschaft durch die Gefahr der Zensur behindert und erst 1861 konnten beispielsweise die österreichischen Mitglieder auch namentlich genannt werden, da sie sich vorher der Verfolgung ausgesetzt sahen. Bekannte Beispiele für die Vorstellung und Diskussion wichtiger Erkenntnisse auf Versammlungen der GDNÄ sind: die Vorstellung der Entwicklungstheorie Darwins durch Ernst Haeckel auf der 38. Versammlung am 19. September 1863, die Relativitätstheorie von Albert Einstein im Jahr 1909 und ein Vortrag von Gerhard Domagk im Jahr 1936, der den Beginn der Chemotherapie von bakteriellen Infektionen markierte. Die Versammlungen, die nach der Gründung der Gesellschaft zunächst jährlich abgehalten wurden, finden gegenwärtig in einem zweijährigen Rhythmus in verschiedenen Städten statt. Sie stehen jeweils unter einem Generalthema. Seit 1983 verleiht die GDNÄ während jeder Versammlung die Lorenz-Oken-Medaille an Personen, „die bei der allgemeinverständlichen Interpretation oder Verbreitung naturwissenschaftlicher und/oder medizinischer Erkenntnisse und Einsichten herausragende Leistungen erbracht haben“.

Ziele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die GDNÄ sieht ihre Ziele und Aufgaben in der Schaffung von Verständnis und Vertrauen für die wissenschaftliche Forschung durch Dialog zwischen Wissenschaftlern und Öffentlichkeit und in der Förderung des interdisziplinären Informations- und Meinungsaustausches zwischen Wissenschaftlern verschiedener Fachgebiete. Sie verfolgt diese Ziele durch verschiedene Veranstaltungen, Publikationen und andere Formen der Öffentlichkeitsarbeit. Ihr offizielles Organ ist die monatlich erscheinende Zeitschrift „Naturwissenschaftliche Rundschau“.

Die wichtigste Veranstaltung ist die alle zwei Jahre stattfindende Versammlung der Gesellschaft, zu der jeweils in Form der „Verhandlungen“ ein Tagungsband herausgegeben wird. Die 125. Versammlung stand unter dem Thema „Wachstum - Eskalation, Steuerung und Grenzen“ und fand vom 19. bis zum 22. September 2008 in Tübingen statt. Die 126. Versammlung fand vom 17. bis zum 21. September 2010 in Dresden zum Generalthema „Herausforderung Mensch: Energie, Ernährung, Gesundheit“ statt. Vom 14. bis zum 18. September 2012 fand die 127. Versammlung in Göttingen statt. Das Thema war: „ Gesellschaft braucht Wissenschaft – Wissenschaft braucht Gesellschaft: MobilitätKommunikationInteraktion“. Die 128. Versammlung in Mainz hatte den Titel „Vorbild Natur - Faszination Mensch und Technologie“ und fand vom 12. bis zum 15. September 2014 statt. Die 129. Versammlung hatte den Titel „Naturwissenschaften und Medizin - zwischen Kontinuität und Umbruch“ und fand vom 9. bis zum 12. September 2016 in Greifswald statt. Die 130. Versammlung fand vom 14. bis zum 17. September 2018 in Saarbrücken statt und hatte den Titel „Digitalisierung in den Wissenschaften“. Die 131. Versammlung, die vom 11. bis zum 13. September 2020 in Würzburg stattfinden sollte, wurde wegen der Corona-Pandemie um zwei Jahre verschoben und mit der 132. Versammlung und 200 Jahr-Feier in Leipzig zusammengelegt; diese Jubiläumsfeier fand vom 8. bis zum 11. September 2022 unter dem Motto „Wissenschaft im Bild“ in der Kongresshalle Leipzig statt.[2][3]

Mitgliedschaft und Gliederung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine ordentliche Mitgliedschaft steht jedem an den Naturwissenschaften, der Medizin und Technik interessierten Menschen offen. Während die meisten Mitglieder forschend tätig sind an Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und in der Industrie, sind insbesondere Schüler und Studenten als Mitglieder ebenso willkommen wie interessierte Laien. Derzeit hat die Gesellschaft etwa 4.000 ordentliche Mitglieder, von denen rund 14 Prozent jünger als 35 Jahre sind. Korporatives Mitglied können darüber hinaus Verbände, Organisationen, Institute, Firmen und ähnliche juristische Personen werden.

Die Verband gliedert sich in die Fachsektionen Chemie, Physik einschließlich Geowissenschaften, Biologie, Medizin und Technik einschließlich Informatik.

Vorsitzende/Präsidenten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1890 besteht der Vorstand aus dem Vorsitzenden der Gesellschaft und drei weiteren Vorstandsmitgliedern. Der Vorsitzende ist für die in seiner Amtszeit stattfindende Versammlung verantwortlich. Die weiteren Vorstandsmitglieder sind jeweils der Vorsitzende der vorangegangenen Versammlung, der Vorsitzende der nachfolgenden Versammlung sowie der Schatzmeister der Gesellschaft.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Lorenz-Oken-Medaille kann von der Gesellschaft an Personen verliehen werden, die besonders zur Interpretation und Verbreitung naturwissenschaftlicher oder medizinischer Erkenntnisse beigetragen haben. Die Alexander von Humboldt-Medaille kann erhalten, wer sich um die GDNÄ besonders verdient gemacht hat. Die Auszeichnungen werden zu Beginn der zweijährlich stattfindenden Versammlungen in einem Festakt überreicht.[6]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rolf Emmermann, Rudolf Balling, Günther Hasinger: An den Fronten der Forschung. Hirzel, Stuttgart 2003, ISBN 3-7776-1257-X (Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, 122. Versammlung, Halle/ Saale 2002).
  • Harald Fritzsch, Jörg Hacker, Henning Hopf, Klaus Peter, Markus Schwoerer, Wolfgang Donner: Materie in Raum und Zeit. Hirzel, Stuttgart 2005, ISBN 3-7776-1375-4 (Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, 123. Versammlung, Passau 2004).
  • Detlev Ganten, Erhard Meyer-Galow, Hans-Hilger Ropers: Gene, Neurone, Qubits & Co. Hirzel, Stuttgart 1999, ISBN 3-7776-0970-6 (Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, 120. Versammlung, Berlin 1998).
  • Martin Lohse (Hrsg.): Wenn der Funke überspringt 200 Jahre Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte. Passage-Verlag, Leipzig 2022, ISBN 978-3-95415-130-1.
  • Ansgar Schanbacher: Menschen und Ideen, Die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte 1822–2016. Hrsg. von Eva-Maria Neher. Wallstein, Göttingen 2016, ISBN 978-3-8353-1880-9 (als PDF verfügbar auf www.gdnae.de).
  • Katrin Ursula Schmalenbeck: Ludwig Franz Alexander Winther (1812–1871). Erster ordentlicher Professor für Pathologie der Gießener Ludwigsuniversität. Dissertation, Universität Gießen 2007 (Volltext).
  • Joachim Treusch, Helmut Altner, Harald zur Hausen: Koordinaten der menschlichen Zukunft: Energie, Materie, Information, Zeit. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1999, ISBN 3-8047-1525-7 (Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, 119. Versammlung, Regensburg 1996).
  • Ernst-Ludwig Winnacker, Johannes Dichgans, Gerhard Erker: Unter jedem Stein liegt ein Diamant. Hirzel, Stuttgart 2001, ISBN 3-7776-1122-0 (Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, 121. Versammlung, Bonn 2000).
Zur Geschichte
  • XXI. Versammlung der Naturforscher in Graetz. I. In: Illustrirte Zeitung. Nr. 27. J. J. Weber, Leipzig 1. Januar 1844, S. 8–11 (Digitalisat in der Google-Buchsuche ).
  • XXI. Versammlung der Naturforscher in Graetz. II. In: Illustrirte Zeitung. Nr. 28. J. J. Weber, Leipzig 8. Januar 1844, S. 24–26 (Digitalisat in der Google-Buchsuche ).
  • Axel W. Bauer: Die Krankheitslehre auf dem Weg zur naturwissenschaftlichen Morphologie. Pathologie auf den Versammlungen Deutscher Naturforscher und Ärzte von 1822–1872. Schriftenreihe zur Geschichte der Versammlungen Deutscher Naturforscher und Ärzte, Band 5. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1989.
  • Heinz Degen: Vor hundert Jahren: Die Naturforscherversammlung zu Göttingen und der Materialismusstreit. In: Naturwissenschaftliche Rundschau, Band 7, 1954, S. 271–277.
  • Heinz Degen: Die 16. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu Freiburg i. Br. im Jahre 1838. In: Naturwissenschaftliche Rundschau, Band 7, 1954, S. 358–367.
  • Heinz Degen: Lorenz Oken und seine Isis um die Gründungszeit der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte. In: Naturwissenschaftliche Rundschau, Band 8, 1955, S. 145–150, 180–189.
  • Heinz Degen: Die Gründungsgeschichte der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte. In: Naturwissenschaftliche Rundschau, Band 8, 1955, S. 421–427, 472–480.
  • Heinz Degen: Die Entwicklung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in der Spätromantik bis zur Münchener Versammlung 1827. In: Naturwissenschaftliche Rundschau, Band 9, 1956, S. 185–193.
  • Heinz Degen: Die Naturforscherversammlung zu Berlin im Jahre 1828 und ihre Bedeutung für die deutsche Geistesgeschichte. In: Naturwissenschaftliche Rundschau, Band 9, 1956, S. 330–340.
  • Lübeck: Festschrift den Theilnehmern der 67. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte, gewidmet von dem Arztlichen Verein und dem Naturwissenschaftlichen Verein zu Lübeck. Rahtgens, Lübeck 1895.
  • Ansgar Schanbacher (herausgegeben von Eva-Maria Neher. Mit einem Geleitwort von Lorraine Daston): Menschen und Ideen: die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte 1822–2016. Wallstein, Göttingen 2016, ISBN 978-3-8353-1880-9.
Versammlungsberichte

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 29.
  2. / Programm 200-Jahr-Feier Leipzig 2022, abgerufen am 11. September 2023
  3. Rückblick Jubiläumsfeier Leipzig 2022, abgerufen am 11. September 2023
  4. Reinhard Hüttl war gewählter Vizepräsident und designierter Präsident 2021/2022. Am 26. Januar 2021 wurde Hüttl vom Kuratorium des GFZ wegen Korruption fristlos gekündigt.(Schwerwiegende Amtspflichtsverletzungen: GFZ-Chef Reinhard Hüttl entlassen. Abgerufen am 26. Januar 2021.
  5. GFZ-Chef Hüttl abberufen. Abgerufen am 26. Januar 2021.)
  6. Website der Gesellschaft, abgerufen am 26. Januar 2016

Koordinaten: 50° 39′ 5″ N, 7° 13′ 11″ O