Davoser Hochschulkurse – Wikipedia

Teilnehmer des Davoser Hochschulkurses (1928)

Die Davoser Hochschulkurse (frz. Cours universitaires de Davos) waren von 1928 bis 1931 Bestandteil eines Projektes zur Entwicklung einer internationalen Universität in Davos.

Ursprünge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Davos 1932: Hochschulkurse und Sportveranstaltungen sollten zusätzliche Attraktionen über die medizinischen Kureinrichtungen hinaus schaffen.

Die Davoser Hochschulkurse verdanken ihre Entstehung sich ergänzenden Aktivitäten auf lokaler wie auf internationaler Ebene.[1]

Örtliche Initiative[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Angesichts des hohen Anteils tuberkulosekranker Studenten unter den Patienten in den Kliniken des mondänen internationalen Kurorts[2][3] entwickelte eine Gruppe von Davoser Ärzten zwischen 1926 und 1927 den Plan, in der Stadt eine internationale universitäre Einrichtung zu schaffen.

Internationale Aktivitäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Projekt in Davos fiel mit einem zunehmenden Wiederaufleben der internationalen Beziehungen nach dem Ersten Weltkrieg zusammen, insbesondere der Wiederanbahnung wissenschaftlicher Kontakte zwischen dem Frankreich der Dritten Republik und der Weimarer Republik im Anschluss an die Verträge von Locarno im Jahr 1925.[4][5] Während die intellektuellen Kreise Frankreichs in vollem Umfang an den Projekten der Commission internationale de coopération intellectuelle (CICI, Unterorganisation des Völkerbunds) teilnehmen konnten, waren deutsche Wissenschaftler (ebenso wie ihre österreichischen, bulgarischen und ungarischen Kollegen) seit November 1919 aus internationalen wissenschaftlichen Institutionen ausgeschlossen und durften nicht an internationalen Kongressen teilnehmen. Diese Massnahme wurde durch den Internationalen Forschungsrat (Conseil International de Recherche, CIR) in Brüssel überwacht.[6]

An internationalem Austausch interessierte deutsche Wissenschaftler hatten sich u. a. aus diesem Grund verschiedenen lokalen Deutsch-Französischen Gesellschaften (DFG) angeschlossen.[7] Intellektuelle aus diesen Gruppen setzten sich mit der Davoser Initiative in Verbindung und entwickelten mit ihr gemeinsam das Projekt einer internationalen Universität in Form jährlicher Kongresse.[8]

Organisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter dem Vorsitz von Paul Müller[9] setzte sich das Gründungskomitee, dem ausserdem der Soziologe Gottfried Salomon (1892–1964), Präsident der Deutsch-Französischen Gesellschaft (DFG) in Frankfurt am Main, und der Davoser Bürgermeister Erhard Branger (1881–1958) angehörten, zum Ziel, jedes Jahr einmal in Davos die Elite der europäischen Intellektuellen zu Wochen des Austauschs und der gemeinsamen Arbeit zu versammeln. Das Komitee wurde ab 1929 von drei nationalen Komitees aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz unterstützt.

Vier Jahre in Folge, von 1928 bis 1931, lud das Komitee jährlich eine Anzahl bedeutender Intellektueller, vor allem Hochschullehrer aus Deutschland und Frankreich, dazu ein, in Davos während drei Wochen am Ende des Winters jeweils einen Vortrag in deutscher oder französischer Sprache zu halten. Die Hochschullehrer sollten dabei von vielversprechenden Studenten begleitet werden, für die zusätzlich zu den Vorträgen ein Programm von Arbeitsgemeinschaften angeboten wurde, die ihnen Gelegenheit bieten sollten, Studierende der jeweils anderen Nation besser kennen zu lernen.

Teilnehmer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vortragende 1928[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Albert Einstein (Foto von 1931), dessen Anwesenheit dem ersten Hochschulkurs die gewünschte öffentliche Aufmerksamkeit brachte.

Der erste Davoser Hochschulkurs wurde von Erhard Branger (Bürgermeister von Davos), dem französischen Soziologen und Philosophen Lucien Lévy-Bruhl, dem deutschen Biologen und Naturphilosophen Hans Driesch und dem deutsch-schweizer Physiker Albert Einstein eröffnet.[10]

Vortragende 1929[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der zweite Kurs (1929) stiess v. a. wegen der Teilnahme von Ernst Cassirer (Foto) und Martin Heidegger auf grosses öffentliches Interesse.

Der zweite Kurs wurde vom Schweizer (Bundesrat) Giuseppe Motta eröffnet und erregte insbesondere durch die sogenannte Davoser Disputation zwischen Martin Heidegger und Ernst Cassirer Aufmerksamkeit.[11]

Teilnehmende Studenten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vortragende 1930[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der dritte Hochschulkurs wurde vom Bundesrat Heinrich Häberlin eröffnet. Zum ersten Mal wurden einige Vorträge auch auf Englisch gehalten.[14]

Vortragende 1931[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Vortrag von André Honnorat, Abgeordneter der französischen Nationalversammlung, über die Cité Internationale Universitaire de Paris stiess beim Davoser Organisationskomitee im Hinblick auf die geplante weitere Entwicklung der Kurse auf grosses Interesse.

Carl Heinrich Becker (ehemaliger preussischer Kultusminister) nahm an der Eröffnungszeremonie des vierten Kurses teil.[15]

Ende der Hochschulkurse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die für 1932 bereits geplanten Kurse mussten angesichts der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise ausfallen. Nach der Machtergreifung der NSDAP am 30. Januar 1933 und der anschliessenden Flucht zahlreicher deutscher Wissenschaftler ins Exil kamen die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich zum Erliegen, so dass auch weitere Kurse in Davos nicht mehr zustande kamen.[16]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Martin Grandjean: Les cours universitaires de Davos 1928-1931. Au centre de l’Europe intellectuelle. Mémoire de maîtrise, Université de Lausanne. Lausanne 2011, S. 4–6 (unil.ch).
  2. Mitteilung Dr. Kollarits in Davoser Revue, 15. April 1926, Nr. 7.
  3. Christian Jost: Der Einfluss des Fremdenverkehrs auf Wirtschaft und Bevölkerung in der Landschaft Davos. Buchdruckerei Davos, Davos 1951.
  4. Hans Manfred Bock: Entre Locarno et Vichy : les relations culturelles franco-allemandes dans les années 1930. CNRS éditions, Paris 1993, 2 vol.
  5. Christian Barchler: Gustave Stresemann (1878-1929) De l’impérialisme à la sécurité collective. Presses Universitaires de Strasbourg, Strasbourg 1996.
  6. Nicolas Beaupré: Deutsch-französische Geschichte. Bd. VIII. S. 188–190.
  7. Hans Manfred Bock: Die Deutsch-Französische Gesellschaft 1926 bis 1934, Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der deutsch-französischen Beziehungen der Zwischenkriegszeit. In: Francia, 17/3, 1990, S. 57–102.
  8. Martin Grandjean: Analyse de réseau et méthode quantitative en histoire. Notre exemple: les cours universitaires de Davos, 1928–1931. Siehe Weblinks.
  9. Stifter des Eishockey-Turniers um den Spengler-Cup, das seit 1923 in Davos jedes Jahr mit dem Ziel veranstaltet wurde, „die Jugend der durch den Ersten Weltkrieg verfeindeten Nationen in sportlichen Kontakten wieder zusammenzuführen“.
  10. Davoser Blätter, Februar–März 1928.
  11. Davoser Blätter, Ausgabe Februar–März 1929; Catherine Newmark, Vergiftete Atmosphäre: Die Davoser Disputation zwischen E. Cassirer und M. Heidegger, in Philosophie Magazin, Sonderheft 3, Die Philosophen und der Nationalsozialismus, Berlin 2015, S. 32f.
  12. auf Einladung von Heidegger, s. dazu Rüdiger Safranski: Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit, S. 213. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M.1998. ISBN 3-596-50128-8.
  13. Jean Cavaillès kehrt fasziniert von einer Diskussion zwischen Ernst Cassirer und Martin Heidegger zurück. Seit diesem Datum stellen die Studenten der École normale supérieure ein starkes Kontingent unter den jährlich in Davos anwesenden Studenten. Nicolas Beaupré: Deutsch-französische Geschichte. Bd. 8, S. 193; -- J. C. selbst: Verführte Jugend, in Philosophie Magazin, Sonderheft 3, Die Philosophen und der Nationalsozialismus, Philomagazin, Berlin 2015, ohne ISSN, S. 35
  14. Davoser Blätter, Ausgabe Februar-April 1930.
  15. Davoser Blätter, Ausgabe Februar–April 1931.
  16. Lionel RICHARD: Aspects des relations intellectuelles et universitaires entre la France et l’Allemagne dans les années vingt. In: J. Bariety (Hrsg.): La France et l’Allemagne entre deux guerres mondiales. Actes du colloque tenu en Sorbonne (Paris IV) 15-16-17 janvier 1987. Presses Universitaires de Nancy, Nancy 1987, ISBN 2-86480-380-1, S. 112–124.