Brühl (Toponym) – Wikipedia

Brühl ist ein altes Wort für Wiesen, Wald oder Feuchtgebiete in Toponymen.

Vermutlich handelt es sich ursprünglich um eine frühmittelalterliche Wirtschaftsform.

Wortherkunft und Bedeutung

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Das Wort entstammt dem galloromanischen broilus, auch prolius oder brogilus, respektive broilum, in einer Grundbedeutung ‚[abgegrenztes] Stück Land‘, insbesondere Wiesen oder Wald.[1][2][3] Es leitet sich vermutlich von einem keltischen *brog[i] ‚Territorium, Gebiet, Grenze, Grenzland‘ (irisch mruig, bruig, walisisch, kornisch, bretonisch bro) ab. Eine mögliche indogermanische Wurzel *mereg̑-, *morg̑-, *mrg̑- dürfte es sich mit Mark teilen.[1][2] Das Wort hat sich auch in die romanischen Sprachen verbreitet (italienisch brolo, bri[g]lio ‚Baum-, Küchengarten, Park‘, französisch breuil ‚eingezäuntes Gebüsch, Wald‘).[1][4]

Der Ausdruck wurde vermutlich von den Franken übernommen,[2] in frühen lateinischen Texten findet er sich wie ein Fremdwort oder als Volksmund explizit umschrieben[1] (so im Capitulare de villes Karls d. Gr., um 800: «locos nostros, quos vulgus progilos vocat» ‚unsere Plätze, die das Volk Brühle nennt‘).[4] Auf Viktor Ernst geht die Lehrmeinung zurück, dass es sich ursprünglich um die Parzellen einer der Zelgen- und Dreifelderwirtschaft vorausgehende Wirtschaftsordnung handelt.[2]

Bezeichnet sind im Mittelalter typischerweise eingehegte oder umzäunte Weiden, Forste, Gärten und ähnliches.[2] Das Wort erscheint insbesondere in Rechtstexten, und ist durchwegs mit herrschaftlichem Besitz und mit Privilegien verbunden, wie Flurzwang, Zehentfreiheit oder genossenschaftlichem Weiderecht.[2][3] Es findet sich häufig verbunden mit Herrengütern, Meierhöfen, Fronhöfen, adligem Hausgut, Klosterbesitz oder Stiftungen, oder für Grundstücke in Nähe der Dörfer.[2] Eine Nebenbedeutung dürfte bis hin zum Gatter für Jagdwild, also Tiergehege (Tiergarten), gehen.[2][3]

Eine sekundäre Bedeutung ist aber ‚feuchtes Land‘ in diversen Ausprägungen, von ‚nasse Wiese[3] über ‚Aue‘,[2] verbuschtes Feuchtgebiet,[5] oder ‚Sumpf‘ (so bei Hans Sachs, nach Adelung)[4] bis hin zu ‚Quelltümpel‘ (Tirol),[6] und findet sich so auch veraltet niederländisch breugel.[7][1][8] Der Zusammenhang ist unklar und Gegenstand langer sprachwissenschaftlicher Diskussion,[4] er führt vielleicht über Formen der Bewässerung,[2] oder umgekehrt Urbarmachung durch Entwässerung, für die Areale reserviert wurden.[9]

Das Wort als solches ist im deutschen Sprachschatz im Laufe der früheren Neuzeit ausgestorben, es findet sich mundartlich noch bis in das 19. Jahrhundert.[6] Erhalten ist es aber – über ganz West- und Zentraleuropa verbreitet und im ganzen Bedeutungsfeld – in Flur- und Siedlungsnamen.

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Albert L. Lloyd, Otto Springer, Rosemarie Lühr, Karen K. Purdy: Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen, Band 2, Vandenhoeck & Ruprecht, 1988, brüel, S. 368 ff (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. a b c d e f g h i j Brüel. In: Schweizerisches Idiotikon, 1881 ff, V 594 (online ortsnamen.ch).
  3. a b c d Brühl. In: Deutsches Rechtswörterbuch (drw-www.adw.uni-heidelberg.de).
  4. a b c d Vergl. W.F.H. Rabwald: Zu einem Aufsatze …, einige Wörter im Capitulare de villes betreffend. In: Allgemeiner litterarischer Anzeiger CLXXI, 29. Oktober 1798, Brogilum, S. 1763 f (ganzer Artikel S. 1761–1764; Digitalisat, Google, vollständige Ansicht).
  5. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (6. Auflage, Verlag Walter de Gruyter, 2011, S. 59, Sp. 2; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. a b Josef Schatz: Wörterbuch der Tiroler Mundarten, S. 133; Angabe nach op. cit. Lloyd et al.: Etymologisches Wörterbuch 1988, S. 270, letzter Absatz des Eintrags; dort auch weitere dialektale Fundstellen.
  7. Jan De Vries: Nederlands Etymologisch Woordenboek (Neuauflage Verlag Brill, 1987, S. 86; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. Heinrich Dittmaier: Brühl, Bruch, Bracht. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. 84. Bd., Heft 2 (1952), S. 174–178 (online JSTOR).
  9. Ein Zusammenhang mit Priel ‚Wasserlauf [im Watt]‘ ist möglich, da sich auch Brühl in der heutigen Form Priel findet; vergl. hierzu Bedeutungen der Ortsnamen im Lavanttal. lovntol.at; Eintrag Priel.