Adolf Lehnert – Wikipedia

Adolf Lehnert (vor 1911)

Franz Robert Adolf Lehnert (* 20. Juli 1862 in Leipzig; † 6. Januar 1948 ebenda) war ein Bildhauer und Medailleur in Leipzig.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Er kam als zweites von insgesamt zwölf Kindern des Lokomotivführers Adolph Lehnert und dessen aus Borna stammenden Gattin, Lina, geb. Werner[1] (1842–1914), zur Welt. 1889 heiratete der junge Künstler in erster Ehe Else Riedel (1864–1907), eine Tochter aus der sehr angesehenen Familie des Leipziger Musikwissenschaftlers und Chorleiters Professor Carl Riedel. Nach dem frühzeitigen Tod seiner ersten Frau heiratete er 1909 in zweiter Ehe Johanna Wildenhayn (1875–1957), die ihm zwei Kinder, Siegfried (1910–1941) und Waltraut (1916–2007), gebar.

Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Besuch einer Leipziger Realschule studierte Adolf Lehnert von 1880 bis 1888 an der Königlichen Kunstakademie in Leipzig bei Melchior zur Straßen. Auf der Jahresausstellung der Schülerarbeiten der Akademie wurde ihm 1882 die bronzene Medaille und 1885 die silberne Medaille verliehen. Nach Beendigung der Ausbildung hielt er sich zu Studienzwecken für ein weiteres Jahr in Rom und Paris auf.

Lehrtätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1896 bis 1924 war er als Lehrer an der Kunstakademie in Leipzig tätig. Zunächst wurde Lehnert als Vertretung für den erkrankten Melchior Zur Straßen an die Akademie berufen. Nach dem plötzlichen Tod seines Lehrers erfolgte die offizielle Ernennung als Leiter der Bildhauerklasse am 1. Dezember 1897. Lehnert erteilte Unterricht im Formen nach Stillleben, im Formen nach lebenden Modellen sowie in den Maßen der menschlichen Gestalt. 1907 wurde ihm der Titel eines Professors der IV. Klasse der Hofrangordnung verliehen. Seine Schüler waren unter anderen Kurt Schmid-Ehmen, Bruno Eyermann, Fritz Zalisz, Fritz Maenicke, Albrecht Leistner, Max Alfred Brumme, Paul Stuckenbruck und Alfred Thiele, der wiederum sein Nachfolger als Leiter der Bildhauer-Abteilung an der Kunstakademie werden sollte.

Kunstschaffen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bismarck-Statue im Johannapark in Leipzig (zerstört)

Adolf Lehnert gehört zu den bedeutendsten Vertretern des Historismus in Leipzig. Er erhielt zahlreiche öffentliche und private Aufträge, die sein vielfältiges Schaffen dokumentieren. So war er beispielsweise in Leipzig mit künstlerischen Arbeiten am Bau des Neuen Rathauses, des Gebäudes der Universitätsbibliothek und der Deutschen Bücherei sowie des Künstlerhauses beteiligt. Vom Leipziger Großbürgertum wurde er bevorzugt mit Aufträgen zur bauplastischen Ausgestaltung von Villen und Grabmalen bedacht. Neben Denkmälern, allegorischen Gestalten, figurenreichen Friesen und Büsten schuf er auch Reliefs und Kleinplastik. Besonders gefragt war sein Können als Porträtist und Medailleur. Er entwickelte den idealistischen Stil seines Lehrers Melchior Zur Straßen zu immer feinerer Individualisierung und wurde damit zum Begründer und zugleich wichtigsten Vertreter der Tradition der Leipziger Porträtkunst.

Für die WMF-Abteilung für Galvanoplastik schuf er einige sehr ansprechende Modelle von Engeln, von denen mehrere als etwa 135 cm hohe Galvanoplastiken bis heute auf deutschen und ehemals deutschen Friedhöfen erhalten sind. Sie wurden im WMF-Musterbuch mit und ohne Flügel als Grabfigur Nr. 745 a von Lehnert geführt.[2] Ein Exemplar findet sich auch im Museum für Sepulkralkultur, Kassel.

Ab 1912 wohnte und arbeitete Lehnert in einer nach seinen Plänen erbauten Villa mit angebautem Atelier in Markkleeberg.[3] In seinen letzten Lebensjahren bewohnte er eine Villa in Stötteritz.[4]

Viele seiner aus Kupfer oder Bronze geschaffenen Werke fielen den Bedürfnissen der beiden Weltkriege zum Opfer.

Lebensende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grabmal Familie Adolf Lehnert (2012)

Adolf Lehnert wurde auf dem Leipziger Südfriedhof (Abt. V.) an der Seite seiner ersten Frau Else († 1907) und seines im Zweiten Weltkrieg gefallenen Sohnes beigesetzt. Mit dem Entwurf des Grabmals hatte er nach dem Tod seiner ersten Ehefrau den Architekten Karl Poser beauftragt. Das Grabrelief aus Kalkstein, das eine junge Frau zeigt, die von einem Engel im Paradies tröstend empfangen wird, schuf der Künstler selbst. Anlässlich des 150. Geburtstags von Adolf Lehnert wurde die schwer geschädigte Grabstätte im Auftrag der Paul-Benndorf-Gesellschaft umfassend restauriert und nach historischem Vorbild neu bepflanzt.

Mitgliedschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • seit 1885 Mitglied im Riedel-Verein, einem Chor zur Pflege geistlicher Vokalmusik aller Zeiten
  • Mitglied des Leipziger Künstlervereins
  • Mitglied der Allgemeinen Deutschen Künstlergenossenschaft
  • Mitglied der Leipziger literarisch-künstlerischen Vereinigung Stalaktiden
  • Mitglied der Leipziger Künstlervereinigung Leoniden

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke in öffentlichem und privatem Besitz (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Büsten, Medaillons und Reliefs für Grabdenkmale (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verlorengegangene Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1885 Lipsia 3 Meter hohe Figur nach dem Entwurf von Melchior zur Straßen im Giebel des Hauptportals der Neuen Börse zu Leipzig
  • 1887 Franz Liszt Marmorbüste im Auftrag des Allgemeinen Deutschen Musikvereins
  • 1887 Gustav Harkort Marmorbüste
  • 1890 Christiane Caroline Grimpe Medaillon-Bildnis in Marmor im Auftrag des Sohnes Georg Grimpe, Leipzig
  • 1891 Universitätsbibliothek Leipzig, zahlreiche Medaillons und Wandfriese im Neubau an der Beethovenstrasse
  • 1892 Entwürfe eines steinernen Frieses am Vordergebäude zum Vergnügungsetablissement „Zum Lindwurm“ in Leipzig-Gohlis, den heiligen Georg mit Drachen darstellend
  • 1892 Gustav Adolf Fricke Marmorbüste
  • 1892 Reliefs an den Seitenwänden der Fleischerei und Mastochsenschlachterei Gustav Rietzschmann in der Leipziger Colonnadenstraße
  • 1892 Carl Moritz Peuschel Obelisk aus tiefschwarzen polierten schwedischen Granit mit in weißem Marmor ausgearbeiteten Reliefbild, Nordfriedhof Leipzig
  • 1892 Große Rotunde der Alberthalle Leipzig: Einzelne Skulpturen und Bildwerke
  • 1893 „Kaiserfries“ -vierteiliger plastischer Zyklus (Karl der Grosse, Friedrich II., Maximilian I., Kaiser Wilhelm I.), in Stuttgart zur Aufstellung gelangt
  • 1895 (zusammen mit Josef Mágr): Bismarck-Denkmal in Leipzig, zunächst vor dem Neuen Theater, 1897 im Johannapark, zerstört 1946
  • 1895 Ludwig Richter – Entwurf eines Denkmals am Standort Dresden, Brühlsche Terrasse
  • 1895 Friedrich Wilhelm Krause – lebensfrisch modellierte Büste zum 50-jährigen Geschäftsjubiläum des „Delikatessenkönigs in der Katharinenstraße“ Leipzig
  • 1896 Reliefs im Hausflur der Lehrerbildungsanstalt für Knabenhandarbeit Leipzig: Junge bei Metallarbeit, Junge an der Hobelbank
  • 1896 Zwei ca. 2 m hohe Bären in silberweißen Anstrich als Wappenhalter am Giebel des Geschäftshauses Silberner Bär (Leipzig), im 2. Weltkrieg zerstört
  • 1896 Umfangreiche plastische Arbeiten in Sandstein an der Fassade des Prachtbaus des Verlags Johann Jacob Weber in der Reudnitzer Straße Leipzig
  • 1896 Ludwig Rieper – Gedenktafel zum 25-jährigen Direktorenjubiläum mit Medaillonportrait, Bronzeguss
  • 1896 Arthur Trebst – Portraitrelief
  • 1896 Entwurf zweier zum Sprung bereiter Löwen als Wandschmuck in den Räumlichkeiten der Dauernden Gewerbeausstellung Leipzig
  • 1896 Egon von Ratibor, Abnahme der Totenmaske in Gotha
  • 1897 künstlerische Ausgestaltung des Gasthauses Thüringer Hof in Leipzig mit Bronzereliefs zur Stadtgeschichte, zerstört 1943
  • 1897 Kriegerdenkmal 1870/71 für die gefallenen Angehörigen des Infanterie-Regiment Prinz Johann Georg (8. Sächsisches) Nr. 107, enthüllt am 18. August 1897, nicht erhalten
  • 1897 Kriegerdenkmal in Rochlitz, 1942 zerstört
  • 1897 Marmorbüsten von Christian Gottfried Reißig und Moritz Nachod zum 50-jährigen Geschäftsjubiläum im Hause Brühl Nr. 20, Leipzig
  • 1897 Ludwig Nieper Portrait-Relief zum 25-jährigen Jubiläum als Direktor der Akademie der Künste zu Leipzig, Bronze
  • 1897 Bildnisstatuetten zweier Herren im Jagdkostüm, Bronze
  • 1897 Entwurf eines Lederfrieses für die Leipziger Buchbinderei AG, vormals Gustav Fritzsche in einer Länge von 19 m, bei einer Höhe von 0,80 m
  • 1897 Jacob Bernhard Limburger – Portraitschmuck der Votivtafel zum 150jährigen Geschäftsjubiläum, Holz
  • 1899 Fackel schwingende Kolossalfigur aus Sandstein an der Eckefassade des Erweiterungsbaus des Geschäftshauses August Polich
  • 1899 Südgiebel des Palmenhauses im Palmengarten (Leipzig) mit allegorischen Figuren, die Erdteile darstellend
  • 1899 Gustav Schumann quadratisches, lorbeerumwundenes Reliefbild aus Bronze auf polierten roten Granitblock, Johannisfriedhof Leipzig
  • 1900 Johannes Gutenberg, Brosche mit dem Kopf Gutenbergs nach seiner Statue in der Gutenberghalle, Damenspende des Festausschusses
  • 1900 Kunstanstalt Grimme & Hempel, 25-jähriges Geschäftsjubiläum, Reliefbildnis Reinhold Grimmes, weißes Marmormedaillon auf „tiefrothem marmornen Grunde“
  • 1902 Fa. E.F. Steinacker, Bronzetafel zum 100-jährigen Geschäftsjubiläum der Buchhändlerfirma in Leipzig, mit Bildnissen von E.F. Steinacker, Wilhelm Einhorn und Theodor Einhorn
  • 1902 Fa. Giesecke & Devrient, Jubiläums-Ehrentafel zum 50-jährigen Geschäftsjubiläum, Bronze
  • 1903 Ernst Barth, Medaillonportrait, Carrara Marmor
  • 1903 Professor Biedermann, Gipsbüste
  • 1903 Justus Carl Lion, Reliefportrait „...Bild und Geist Lions modelliert“, Johannisfriedhof Leipzig, IV. Abteilung
  • 1900 Gutenbergdenkmal für das Deutsche Buchgewerbehaus in Leipzig, zerstört 1943
  • 1909 Bronzetafel Johann Jakob Weber zum 75. Geschäftsjubiläum des Verlags J.J. Weber (Herausgeber der „Illustrierte Zeitung“)
  • 1911 Wilhelm Henzen Grabmal in Laaser Marmor, Stele mit Kopf, Leipziger Nordfriedhof
  • 1915 Denkmal der Arbeit Ernst Albert Naether in Zeitz
  • 1917: Ehrenmal für die Gefallenen des 7. Infanterie-Regiments „König von Sachsen“, Südfriedhof Leipzig, in den 1970er Jahren für die Arrondierung des „Sozialistischen Ehrenhains“ beseitigt
  • 1921 Denkmal für die im Kriege gefallenen Angehörigen im Carola-Gymnasium Leipzig, Ausführung in Muschelkalk mit namentlicher Erwähnung von 11 Lehrern und 130 Schülern
  • 1927 Friedrich-List-Büste für das List-Harkort-Denkmal in Leipzig (Büste seit 1999 auf dem Querbahnsteig des Leipziger Hauptbahnhofs)
  • 1927 Gregory-Denkmal in Leipzig (Reliefplatte eingeschmolzen)
  • 1937 Hermann-Kretzschmar-Plakette in Olbernhau, mit „...Bildnis durch Professor Adolf Lehnert – Leipzig nach dem Leben geschaffen...“

Medaillen und Plaketten (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hartmut Coch: Bildhauer Adolf Lehnert Leipzig und die Schule der Medailleure an der Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe. Saalfeld 1993.
  • Reiner Sörries: Seid getröstet.... In: Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (Hrsg.): Tätigkeitsbericht 1992. Kassel 1993, S. 3ff.
  • Alfred E. Otto Paul: Die Kunst im Stillen. Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen. hrsg. von Paul-Benndorf-Gesellschaft zu Leipzig, No. 1., Leipzig 2009.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Adolf Lehnert – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Laut Angabe des Grabsteins
  2. Oberhessischer Geschichtsverein: Restaurierter Galvanoengel zurück auf Altem Friedhof in Gießen (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive), abgerufen am 5. Februar 2010
  3. Mozartstraße 1
  4. Schönbachstraße 15
  5. OTZ, 10. Oktober 2014
  6. Stufen des Lebens, Webseite des Museums der deutschen Versicherungswirtschaft, abgerufen am 5. Februar 2010
  7. Restaurierung Grabmaplastik Grimpe September 2009 (Memento vom 26. August 2016 im Internet Archive), abgerufen am 5. Februar 2010